
Issay Dobrowen
(1891-1953)- Geboren in Nischni Nowgorod am 27. Februar 1891 als jüngstes von vier Kindern des mehrere Instrumente spielenden Musikers Zorach Alexander Barabeitchik. In vielen, vor allem älteren Quellen wird als Geburtsjahr 1894 angegeben, aber es gibt bessere Argumente für 1891. Sein ursprünglicher Name ist Izchok Zorachowitsch Barabeitschik; über die Hintergründe der späteren Namensänderung kursieren widersprüchliche Theorien. In Russland bzw. der Sowjetunion nannte er sich Isaj Alexandrowitsch Dobrovejn, nach der Emigration in den Westen Issay Dobrowen.
- Ab 1901 Klavierstudium am Moskauer Konservatorium: zuerst bei Adolf Jaroschewski, ab 1906 bei Konstantin Igumnow. 1911 Abschluss mit Auszeichnung.
- Für die verbreitete Angabe, er habe zeitgleich bei Sergej Tanejew Komposition studiert, gibt es keine Belege. Möglicherweise hatte er Privatunterricht bei Tanejew, oder er sah sich als dessen Schüler, weil er in engem Austausch mit ehemaligen Tanejew-Schülern stand.
- Aufenthalt in Wien zum Unterricht bei Leopold Godowski und einige Monate in Paris, wo er seinem Freund Maxim Gorki wieder begegnet. Rückkehr nach Moskau. Intensive Konzerttätigkeit als Pianist.
- 1916 Heirat mit Maria Ruperti (1896–1997). Die gemeinsamen Kinder Natalia und Alexander werden 1918 bzw. 1920 geboren.
- 1918 erster Auftritt als Dirigent mit Orchester (Hoffmanns Erzählungen) in Moskau, ab 1919 regelmäßig Dirigent am Bolschoi-Theater
- Oktober 1920: Im Haus von Maxim Gorki spielt Dobrowen vor W.I. Lenin u.a. Beethovens "Appassionata". Diese Begebenheit wird später in der Sowjetunion (aufgrund von Lenins Bemerkungen über Beethoven) sehr bekannt und findet Niederschlag u.a. in einem Gemälde von Dmitri Nalbandian und in einem Fernsehfilm von 1963.
- 1922 Emigration nach Deutschland. Zusammenarbeit mit Fritz Busch an der Staatsoper Dresden bei der Produktion der Oper Boris Godunow von Mussorgsky, die diesem Werk den Weg auf die deutschen Bühnen öffnet. Busch dirigert die Premiere, Dobrowen macht die Regie und dirigiert einige der Folgeaufführungen.
- 1924 Erster Kapellmeister an der Volksoper Berlin
- 1926 Uraufführung von Hindemiths Oper Cardillac in Dresden mit Fritz Busch (musikalische Leitung) und Issay Dobrowen (Regie)
- 1926 letzte vollendete Komposition: das Klavierkonzert cis-Moll op. 20
- 1927-28 Chefdirigent an der Oper von Sofia
- 1927-1931 Dirigent des Oslo Philharmonic Orchestra
- 1929 Die Familie Dobrowen, die bislang Nansen-Pässe hatte, erhält die norwegische Staatsbürgerschaft.
- 1930-1934 Leitung des San Francisco Symphony Orchestra und Gastdirigate bei anderen Orchestern in den USA, darunter New York Philharmonic und Philadelphia Orchestra
- 1934 Dobrowen gibt den Wohnsitz in Dresden auf und übersiedelt fest nach Oslo. Von dort aus intensive Reisetätigkeit als Dirigent und Regisseur, u.a. an die Oper in Budapest
- 1938 Auf Einladung von Bronislaw Huberman dirigert Dobrowen das Palestine Orchestra.
- April 1940 Invasion deutscher Truppen in Norwegen. Dobrowen bleibt noch einige Zeit in Oslo, nutzt aber ein Engagement in Stockholm zur Ausreise nach Schweden. Seine Frau und die Kinder bleiben in Oslo.
- Dirigier- und Regietätigkeit am königlichen Opernhaus Stockholm (bis 1945) und Chefdirigent der Göteborger Symphoniker (1941-1953)
- Nach 1945 vielfältige Dirigiertätigkeit und Schallplattenproduktionen, u.a. mit dem Philharmonia Orchestra (London), der Covent Garden Opera (London) und der Mailänder Scala
- Issay Dobrowen stirbt am 9. Dezember 1953 in Oslo.
Werkliste
Alle Werke sind, wenn nicht anders angegeben, für Klavier. Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Erstausgaben, nicht unbedingt auf die Entstehungszeit. Verlage: Russischer Musikverlag (Berlin), P. Jurgenson (Moskau), Gutheil (Moskau), MuzGiz (Moskau), Universal Edition (Wien); die UE publizierte auch die meisten bereits in Russland erschienen Werke noch einmal.
Dobrowen komponierte vor seiner Emigration mehrere Werke für die Bühne, die nicht veröffentlicht wurden, darunter eine Märchenoper nach 1001 Nacht.
- op. 1: 8 Préludes (1912)
- op. 2: Ballade Nr. 1 (1912)
- op. 3: Zwei Poèmes (1914)
- op. 4: Drei Mazurkas (1916)
- op. 5: Märchen-Sonate (1914)
- op. 5b: Jugend-Sonate (1924)
- op. 6: Zwei Walzer (1916)
- op. 7: 7 Romanzen für Stimme und Klavier (1916)
- op. 7a: Scherzo
- op. 8: Vier Etüden
- op. 9: Ballade Nr.2 Op.9 (1916)
- op. 10: Klaviersonate Nr.2 e-Moll (1916)
- op. 11: Kleine Mazurka
- op. 12: Mélodie hebraïque für Violine und Klavier (1918)
- op. 13: 7 Klavierstücke (1922)
- op. 14: Impromptu (1923)
- op. 15: Sonate fis-Moll für Violine und Klavier (1923)
- op. 16: Märchen für Violine und Klavier (1923)
- op. 17: Ballade für Violine und Klavier (1923)
- op. 20: Klavierkonzert cis-Moll (1926)
- o.op.: Fünf russische Volkslieder aus dem Repertoire des Donkosakenchores für Bariton oder Tenor und Männerchor
Porträtiert bei musica reanimata im 170. Gesprächskonzert am 22. Mai 2025.