Gesprächskonzerte "Verfolgung und Wiederentdeckung"
und andere wichtige Ereignisse
2024
(166) 21. September 2024 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Werner-Otto-Saal
+ Als Jazzmusiker verehrt, als Juden diffamiert: die Weintraubs Syncopators
Im August 1924, vor genau 100 Jahren, wurde in Berlin-Charlottenburg eine Tanzkapelle gegründet, die bald unter dem Namen Weintraubs Syncopators zu den erfolgreichsten Jazzbands der Weimarer Republik gehörte. Zu ihren besonderen Merkmalen gehörte neben Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit ihr komödiantisches Talent. Auch in Filmen wie "Der blaue Engel" waren die Weintraubs zu erleben. Wegen ihrer überwiegend jüdischen Mitglieder musste die Band 1933 Deutschland verlassen. Es begann eine lange Odyssee, die bis nach Australien führte.
In diesem Jubiläumskonzert spielten Mitglieder des Babylon Orchesters Berlin eigens dafür rekonstruierte Originaltitel aus dem Repertoire der Band. An dem von Wolfgang Jansen moderierten Gespräch nahmen neben Buchautor Albrecht Dümling auch Christine Bruinier (Aachen) und Michael Fisher (Zürich) teil, Nachfahren von Weintraubs-Musikern.
Klarinette & Altsaxophon - James Scannell
Klarinette & Tenorsaxophon - Hannes Daerr
Trompete - Tomás Medina
Posaune - Till Künkler
Klavier - Sebastian Weiß
Bass - Fabian Timm
Drums & Arrangements - Hauke Renken
Dieses Konzert wurde unterstützt durch Michael Fisher (Zürich) und die Bareva Stiftung
+ 14.-16. Juni 2024: Musikalischer Widerstand gegen das "Protektorat".
Drei von NS-Verfolgung betroffene tschechische Komponisten
Nachdem Truppen der Wehrmacht im März 1939 in Tschechien einmarschiert waren, proklamierte Adolf Hitler das "Protektorat Böhmen und Mähren". Angeblich wurden diese Gebiete damit unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt. In Wahrheit war es eine Entrechtung der dortigen Bevölkerung, die Menschen jüdischer Herkunft in besonderem Maße betraf. Jüdische Musiker erhielten Berufsverbot, bis ihnen sogar der Besitz von Musikinstrumenten verboten war. Vom Widerstand der Bevölkerung zeugte das aufsehenerregende Attentat auf Reinhard Heydrich. Auch Musiker leisteten Widerstand, jedoch auf verborgene Weise.
Gefördert vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds
Mit freundlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Musikstiftung und der Bareva Stiftung
Wir danken der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
und der Staatsbibliothek zu Berlin für die Kooperation
+ 14. Juni, 18 Uhr: Chor-Orgelkonzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
Leoš Janáček: Orgelsolo aus der Glagolitischen Messe
Miloslav Kabeláč: Zwei Fantasien für Orgel op. 32 (1958)
Vier Präludien für Orgel op. 48 (1966)
Sechs Männerchöre nach Worten von Jiří Wolker op. 10 (1939-42) und Wiegenlied (1945) - Uraufführungen
Petr Eben: aus Musica dominicalis (Sonntagsmusik) für Orgel: III. Moto Ostinato - IV. Finale
Sebastian Heindl, Orgel
Männerkammerchor ffortissibros, Leitung: Benedikt Kantert
+ (163) 15. Juni, 15 Uhr, Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin
Gesprächskonzert zu Rudolf Karel (1880-1945)
Rudolf Karel, 1880 in Pilsen geboren, einer der letzten
Dvořák-Schüler, wurde nach einem abenteuerlichen
Russland-Schicksal während des 1. Weltkrieges Professor
für Komposition am Prager Konservatorium, wo Jaromir
Weinberger zu seinen Schülern gehörte. Er war aber auch
als Opernkomponist erfolgreich.
Wegen seines aktiven Widerstands gegen die deutsche Besatzung kam Karel 1943 ins Prager Gefängnis Pankrač, wo er unter schwierigsten Bedingungen weiterkomponierte. Er fertigte Partiturskizzen auf Toilettenpapier, die ein Aufseher aus der Haftanstalt schmuggelte. Karel starb im Februar 1945 in der Kleinen Festung von Theresienstadt.
Píseň svobody (Freiheitslied) op. 41a für Gesang und Klavier
Arie des Ivo aus dem 1. Akt der Oper Ilses Herz op. 10 (1906-09)
Tema con variazioni op. 13 für Klavier (1910)
Liederzyklus Im Glanz der hellenischen Sonne (1921), Text: Josef Svatopluk Machar
Pankrácký valčík (Pankratzer Walzer) op. 42c für Klavier
Pankrácký pochod (Pankratzer Marsch) op. 42a für Gesang und Klavier
Žena, moje štěstí (Ein Weib, mein Glück) op. 41b
Jan Dušek, Klavier; Ondrej Holub, Tenor
Albrecht Dümling im Gespräch mit Magdalena Živná
Wegen seines aktiven Widerstands gegen die deutsche Besatzung kam Karel 1943 ins Prager Gefängnis Pankrač, wo er unter schwierigsten Bedingungen weiterkomponierte. Er fertigte Partiturskizzen auf Toilettenpapier, die ein Aufseher aus der Haftanstalt schmuggelte. Karel starb im Februar 1945 in der Kleinen Festung von Theresienstadt.
Píseň svobody (Freiheitslied) op. 41a für Gesang und Klavier
Arie des Ivo aus dem 1. Akt der Oper Ilses Herz op. 10 (1906-09)
Tema con variazioni op. 13 für Klavier (1910)
Liederzyklus Im Glanz der hellenischen Sonne (1921), Text: Josef Svatopluk Machar
Pankrácký valčík (Pankratzer Walzer) op. 42c für Klavier
Pankrácký pochod (Pankratzer Marsch) op. 42a für Gesang und Klavier
Žena, moje štěstí (Ein Weib, mein Glück) op. 41b
Jan Dušek, Klavier; Ondrej Holub, Tenor
Albrecht Dümling im Gespräch mit Magdalena Živná
+ (164) 15. Juni, 18.30 Uhr, Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin
Gesprächskonzert zu Petr Eben (1929-2007)
Der 1922 in Ostböhmen geborene Petr Eben durfte
wegen seines jüdischen Vaters und Großvaters als
"Halbjude" ab 1944 keine Schule mehr besuchen.
Er wurde zu Zwangsarbeit verpflichtet, seine Großmutter
ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Im Frühjahr 1945
kam er mit Vater und Bruder ins KZ Buchenwald.
Nach dem Krieg studierte Eben in Prag Komposition
und Orgel, war aber wegen seiner politischen Haltung
weiterhin Repressalien ausgesetzt.
Sein Sohn, der Musikwissenschaftler Prof. David Eben
aus Prag, erinnert sich im Gespräch mit Bettina Brand
an seinen Vater.
Elegie und Toccata aus der Suita Balladica für Cello und Klavier
Alttestamentarisches Fresko Saul bei der Prophetin in En-Dor für Violine und Klavier
Streichquartett Labyrinth of the World and Paradise of the Heart
Martinů Quartett: Lubomír Havlák und Adéla Štajnochrová, Violinen / Martin Stupka, Viola / Jitka Vlašánková, Cello
Robert Kolinsky, Klavier; Markéta Janoušková, Violine; Simone Drescher, Violoncello
Bettina Brand im Gespräch mit David Eben
Elegie und Toccata aus der Suita Balladica für Cello und Klavier
Alttestamentarisches Fresko Saul bei der Prophetin in En-Dor für Violine und Klavier
Streichquartett Labyrinth of the World and Paradise of the Heart
Martinů Quartett: Lubomír Havlák und Adéla Štajnochrová, Violinen / Martin Stupka, Viola / Jitka Vlašánková, Cello
Robert Kolinsky, Klavier; Markéta Janoušková, Violine; Simone Drescher, Violoncello
Bettina Brand im Gespräch mit David Eben
+ (165) 16. Juni, 11 Uhr, Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin
Gesprächskonzert zu Miloslav Kabeláč (1908-1979)
Miloslav Kabeláč, 1908 in Prag geboren, hatte bei Alois
Hába und Erwin Schulhoff Musiktheorie und Komposition
studiert. Wegen seiner Ehe mit einer jüdischen Musikerin
erhielt er während der deutschen Besetzung Arbeits- und
Aufführungsverbote. Auch als Dirigent konnte er
öffentlich nicht mehr auftreten. Zu den wichtigsten
Zeugnissen seines Widerstands gegen die Unterdrückung
gehören die sechs Männerchöre op. 10, komponiert
1939-1942 auf politische Texte. Obwohl er auch unter
der stalinistischen Kulturpolitik unterdrückt wurde, gilt
er heute als einer der wichtigsten tschechischen Komponisten
des 20. Jahrhunderts. Er starb 1979 in Prag.
Zwei Stücke für Violine und Klavier op. 12 (1942)
Musik für ein Marionettenspiel für Violine, Cello und Klavier (1944)
Wiegenlied für Violine und Klavier (1944)
Ein Satz für Violine, Cello und Klavier (1944)
Ein Satz für Violine und Klavier (Langsam) (1944)
Sonate für Violoncello und Klavier op. 9 (1941-1942)
Markéta Janoušková, Violine; Simone Drescher, Violoncello; Robert Kolinsky, Klavier
Stefan Lang im Gespräch mit Elisabeth Hahn
Zwei Stücke für Violine und Klavier op. 12 (1942)
Musik für ein Marionettenspiel für Violine, Cello und Klavier (1944)
Wiegenlied für Violine und Klavier (1944)
Ein Satz für Violine, Cello und Klavier (1944)
Ein Satz für Violine und Klavier (Langsam) (1944)
Sonate für Violoncello und Klavier op. 9 (1941-1942)
Markéta Janoušková, Violine; Simone Drescher, Violoncello; Robert Kolinsky, Klavier
Stefan Lang im Gespräch mit Elisabeth Hahn
(162) 11. April 2024 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ "Les portes de la nuit" - der Komponist Joseph Kosma (1905-1969)
Ein Lied machte ihn weltberühmt: Autumn Leaves, original Les feuilles mortes. Im Paris- Film Les portes de la nuit wurde es u. a. von Yves Montand gesungen. Joseph Kosma, in Budapest aufgewachsen, Schüler Bartóks, Anhänger der Moderne, schloss sich als Berlin-Stipendiat dem Kreis um Eisler, Brecht und Weill an. 1933 emigrierte er nach Paris. In Zusammenarbeit mit Jacques Prévert wurde er ein Exponent des französischen Chansons. Während der deutschen Besatzung schrieb er Filmmusik, die unter Namen von Freunden veröffentlicht wurde. Eine Revue ausgewählter Chansons, gesungen von Stefanie Wüst, würdigte seine Musik.
Stefanie Wüst, Sopran
Christopher Arpin, Klavier
Krisztian Palagyi, Akkordeon
Habakuk Traber im Gespräch mit Prof. Manuela Schwartz
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(161) 11. Januar 2024 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Maria Herz (1878-1950) - Komponistin zwischen Deutschland und England
Wegen des deutschen Antisemitismus' war die aus Köln stammende Pianistin und Komponistin Maria Herz um 1900 nach Großbritannien ausgewandert, wo sie Konzerte mit eigenen Werken organisierte. Zufällig hielt sie sich bei Ausbruch des 1. Weltkriegs wieder in Köln auf, wo sie bleiben musste. Nach dem Tod ihres Mannes intensivierte Maria Herz hier ihre kompositorische Tätigkeit und nahm weiteren Unterricht bei Philipp Jarnach, bis die Aufführungsverbote des NS-Staats sie 1935 erneut zur Flucht nach England zwangen.
Vier kleine Stücke für Streichquartett op. 5
Streichquartett h-Moll op. 6
Asasello Quartett: Rostislav Kozhevnikov und Barbara Streil (Violine), Justyna Sliwa (Viola), Teemu Myöhänen (Cello)
Albrecht Dümling im Gespräch mit Albert Herz und Heinrich Aerni (beide Zürich) sowie Christiane Silber (Berlin).
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
2023
(160) 9. November 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ "Ein Leben ohne Kompromisse". Der Komponist und Cellist Joachim Stutschewsky (1891-1982)
"Ein Leben ohne Kompromisse" nannte Joachim Stutschewsky seine bislang unveröffentlichten Memoiren. Geboren in eine Klezmer-Familie in der heutigen Ukraine, stand er in den 1920er Jahren als Gründungsmitglied des Kolisch-Quartetts im Mittelpunkt der musikalischen Avantgarde. Bis zu seiner Flucht nach Palästina 1938 war er der Spiritus Rector des Vereins zur Förderung jüdischer Musik in Wien. In seiner neuen Heimat wurde sein kompromissloser Einsatz für jüdische Musik dagegen kaum gewürdigt. In seinem Schaffen verschmolz er das traditionelle jüdische Idiom mit einer bisweilen avancierten Musiksprache.
Schir Jehudi / Jüdisches Lied (1937)
Andante religioso (1942)
M'chol kedem / Orientalischer Tanz (1923)
Vier jüdische Tanzstücke für Klavier solo (1929)
Israeli Suite (1942)
Joel Blido, Violoncello
Jascha Nemtsov, Klavier
Jascha Nemtsov im Gespräch mit Walter Labhart
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(159) 26. Oktober 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Mehrmals entwurzelt - die Wandlungen des polnisch-jüdischen Komponisten Jerzy Fitelberg
Jerzy Fitelberg (1903-1951) wurde in Warschau als Sohn des Dirigenten und Komponisten Gregorz Fitelberg geboren. Ab 1922 studierte er in Berlin Komposition in der Klasse von Franz Schreker. Rasch machte er sich einen Namen unter den jungen progressiven Komponisten in der deutschen Hauptstadt, pflegte aber auch internationale Kontakte, namentlich nach Frankreich und Polen. 1929 wurde sein 2. Streichquartett auf dem Musikfest der IGNM in Genf aufgeführt, 1932 sein erstes Violinkonzert in Wien, und auch bei späteren IGNM-Festen war Fitelberg mehrfach vertreten.
1933 sah er sich gezwungen, nach Paris zu emigrieren, wo er neue künstlerische Anregungen erhielt. 1940, kurz bevor Paris von deutschen Truppen eingenommen wurde, gelang ihm die Flucht in die USA. Zwar erhielt er dort einige Kompositionsaufträge und wurde 1947 eingebürgert, aber wie die meisten Geflüchteten hatte er es schwer, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Fitelberg starb 1951 in New York.
Fitelbergs umfangreiches, überwiegend instrumentales Schaffen ist erst in den letzten Jahren teilweise wieder aufgeführt worden. Eine zentrale Werkgruppe darin sind 5 Streichquartette.
Streichquartett Nr. 1 (1926)
Streichquartett Nr. 4 (1936): daraus Thema, Ausschnitte aus den Variationen 1-6, Coda
Streichquartett Nr. 5 (1945): daraus 2. Satz Tema con variazioni und 3. Satz Vivace
Fitelberg Quartet (Krakau): Aleksander Daskiewicz, Nikola Frankiewicz, Paweł Riess, Jakob Gajownik
Gottfried Eberle im Gespräch mit Christoph Slowinski
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(158) 15. Juni 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Bronislaw Huberman - Geiger und Vorkämpfer eines vereinten Europa
Der Geiger Bronislaw Huberman (1882 - 1947) unternahm schon elfjährig internationale Konzerttourneen. Mit 32 erlebte der aus Tschenstochau stammende Musiker den Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Schock. In Schriften und Konzerten engagierte er sich für ein vereintes Europa als einzigem Weg zu dauerhaftem Frieden. Der entschiedene Gegner Hitlers setzte sich außerdem für die Rettung deutscher Juden und Jüdinnen ein. Durch Hubermans Initiative entstand im britischen Mandatsgebiet Palästina der Vorläufer des heutigen Israel Philharmonic Orchestra. Unser Konzert enthielt Werke aus dem Repertoire Hubermans und historische Aufnahmen mit ihm als Geiger in Werken von Schubert, Brahms und Sarasate.
Johannes Brahms: Scherzo c-Moll für Violine und Klavier WoO 2 (1853, aus der FAE-Sonate)
Niccolò Paganini: Caprice Nr. 24, transkribiert für Violine und Klavier von Karol Szymanowski
Max Bruch: Kol Nidre (Huberman-Fassung)
Ludwig van Beethoven: Andante con variazioni aus der Sonate für Klavier und Violine A-Dur op. 47 ("Kreutzersonate")
Judith Ingolfsson, Violine
Vladimir Stoupel, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Harald Eggebrecht und Habakuk Traber
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(157) 19. Mai 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Wunderkind, Enfant terrible, Frühvollendeter - die fantastische Geschichte des polnisch-jüdischen Komponisten André Tchaikowsky
André Tchaikowsky war bis vor wenigen Jahren nur den Kennern der internationalen Pianisten-Szene der 1960er und 70er Jahre als begnadeter Interpret der Werke Bachs, Chopins und Ravels bekannt. Das änderte sich mit der posthumen Uraufführung seiner Oper "Der Kaufmann von Venedig" bei den Bregenzer Festspielen 2013. Tchaikowsky kam 1935 in Warschau als Robert Andrzej Krauthammer zur Welt. Mit fünf Jahren ins Ghetto gezwungen, konnte er dank der Courage seiner Großmutter mit gefälschten Papieren untertauchen und in Verstecken überleben. Nach dem Krieg behielt er den Namen Tchaikowsky bei und machte, von Artur Rubinstein gefördert, eine einzigartige pianistische Karriere, die er jedoch zunehmend zugunsten der Komposition vernachlässigte. Tchaikowsky kompensierte sein Kindheitstrauma im englischen Exil als unangepasster Exzentriker, als Avantgardist und bekennender Homosexueller. Nur wenige Jahre blieben ihm bis zu seinem Krebstod 1982 zur Schaffung eines kleinen, von der Zweiten Wiener Schule beeinflussten Oeuvres, das gleichermaßen durchdrungen ist von technischer Brillanz, feiner Ironie und tiefer Melancholie.
Sonate für Klarinette und Klavier
Inventions für Klavier op. 2, Nr. 1-8 und 10
Seven Sonnets of Shakespeare, Nr. 2, 4 und 5
Katarzyna Wasiak, Klavier
Ania Vegry, Sopran
Ruben Staub, Klarinette
Peter Sarkar im Gespräch mit Frank Harders-Wuthenow und Katarzyna Wasiak
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(156) 23. März 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Ursula Mamlok und das Black Mountain College. Der Komponistin zum 100. Geburtstag
Im Jahr der Machtübertragung an Hitler wurde 1933 auf Druck der Nationalsozialisten das als interdisziplinäre Kunstschule konzipierte "Bauhaus" zur Selbstauflösung gezwungen. Zahlreiche Mitglieder folgten der Einladung an das im selben Jahr in Asheville (North Carolina, USA) gegründete Black Mountain College, das in den Folgejahren zu einer führenden interdisziplinären Ausbildungsstätte wurde. Ab 1944 wurden hier Sommerkurse angeboten. Zu den Dozenten im Musikbereich zählten Emigranten wie Ernst Krenek, Eduard Steuermann, Heinrich Jalowetz, Stefan Wolpe und der Geiger Rudolf Kolisch. Die Berliner Komponistin Ursula Mamlok (1923 - 2016) besuchte den ersten dieser Sommerkurse und komponierte hier unter den Fittichen von Ernst Krenek ihre "Three Part Fugue". Ursula Mamlok ist dieses Konzert zum 100. Geburtstag gewidmet.
Werke von Ursula Mamlok: Three Part Fugue für Klavier (1944)
The Birds Dream Sechs kurze Stücke für Klavier (1944)
Variations für Flöte solo (1960)
Ernst Krenek: 3. Sonate für Klavier op. 92/4 (1943), daraus 1. und 4. Satz
Roger Sessions: From my Diary für Klavier (1937-1940)
Stefan Wolpe: Piece in Two Parts für Flöte und Klavier (1960), daraus Part One
Klaus Schöpp, Flöte
Holger Groschopp, Klavier
Bettina Brand im Gespräch mit Habakuk Traber
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
und die Dwight und Ursula Mamlokstiftung [www.mamlokstiftung.com/]
(155) 12. Januar 2023 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Musikclub
+ Ein Überlebender aus Warschau. Der Komponist und Dirigent René Leibowitz
Der 1913 in Warschau geborene René Leibowitz gehört als Dirigent, Komponist und Musiktheoretiker zu den prägenden Gestalten des 20. Jahrhunderts. Nach kurzem Berlin-Aufenthalt zog er Ende der 1920er Jahre nach Paris. Hier weihte ihn Rudolf Kolisch in die Interpretationspraxis der Wiener Schule ein und Erich Itor Kahn in die Zwölftontechnik. Dirigierunterricht erhielt Leibowitz von dem ebenfalls nach Paris geflüchteten Paul Dessau. Die enge Partnerschaft der drei dokumentiert sich auch in mehreren Widmungskompositionen. Unter der deutschen Besatzung Frankreichs bekannte sich Leibowitz noch verstärkt zu Schönberg.
Werke von René Leibowitz: Deux Mélodies für Gesang und Klavier (nach Hölderlin und Kleist)
Klaviersonate op. 1 (1939)
Picasso-Lieder op. 9 (1943)
Trois poèmes de Georges Bataille für Stimme und Klavier (1962)
Trois Études Miniatures für Klavier op. 64 (1965)
Lieder nach Carl Einstein op. 80 (1967).
Paul Dessau: Guernica für Klavier (1938) - gewidmet René Leibowitz
Erich Itor Kahn: Bagatelle für Klavier (ca. 1940) - gewidmet René Leibowitz
Peyee Chen, Sopran
Jan Marc Reichow, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Walter Nußbaum
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
2022
(154) 9. November 2022 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Werner-Otto-Saal
+ Genie und Bescheidenheit - Ignace Strasfogel in Berlin und New York
Ignace Strasfogel, 1909 in Warschau geboren, wuchs in Berlin auf und zeigte früh außerordentliche musikalische Begabung. Franz Schreker nahm ihn als 14jährigen in seine Kompositionsklasse auf. Als Pianist war er Meisterschüler von Leonid Kreutzer, außerdem studierte er Dirigieren bei Julius Prüwer. 2½ Jahre arbeitete Strasfogel an der Berliner Staatsoper, bis er 1933 entlassen wurde. Bereits im Dezember 1933 fand er in den USA eine neue Heimat - und hatte zunächst Glück: 1935 wurde er für 10 Jahre Official Pianist des New York Philharmonic Orchestra. 1946 versuchte er einen Neustart als Komponist, leider ohne jede Resonanz - fortan wirkte er ausschließlich als Korrepetitor und Dirigent, vor allem an der Metropolitan Opera (1951-74). Erst 1983 setzte sein Schaffen nach 35-jähriger Pause wieder ein. 1991 begann seine Wiederentdeckung als Komponist, initiiert durch Kolja Lessing.
Duet for Violin and Piano (1991, Kolja Lessing und Rainer Klaas gewidmet)
Prélude und Elegie für Gitarre (1946) aus: Prélude, Elegie und Rondo für Gitarre (Andrés Segovia gewidmet)
Rondo (Variations) für Klavier (1988/89)
Variations on a Well-known Tune (A Child's Day) (1946, Ian Strasfogel gewidmet)
Franz Schreker: Wiegenlied der Els (aus der Oper Der Schatzgräber), Transkribiert für Klavier von Ignace Strasfogel (1926)
Mitwirkende:
Kolja Lessing, Klavier
Daniella Strasfogel, Violine
Johannes Monno, Gitarre
Kolja Lessing, Ian Strasfogel und Johannes Monno im Gespräch mit Peter Sarkar.
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(153) 22. Oktober 2022 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Werner-Otto-Saal
+ "... ich verdanke Webern den Inhalt meines Lebens..." - Der Komponist Philip Herschkowitz
Er war einer der gefragtesten Privatlehrer in der Sowjetunion, seine Privatwohnung war in den 1980er Jahren Anlaufstelle für Musiker:innen wie Elisabeth Leonskaja, Dmitri Smirnow oder Elena Firsova.
In Rumänien 1906 geboren setzte Philip Herschkowitz nach dem Abschluss am heimischen Konservatorium sein Studium u. a. in Wien fort. Besonders prägend war für ihn Anton Webern. Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 wurde ihm als im Ausland lebender Jude die Heimkehr durch die rumänische Einwanderungsbehörde verweigert. Es begann eine Odyssee, die ihn bis nach Taschkent verschlug, wo er den Krieg überlebte. Nach dem Krieg ließ er sich in Moskau nieder. Da seine Musik der Doktrin des "Sozialistischen Realismus" nicht entsprach, war er aus dem öffentlichen Musikleben weitgehend ausgeschlossen und darauf angewiesen, Privatstunden zu geben. Erst 1987 gelang es ihm nach Wien auszureisen, wo er wenige Monate nach seiner Ankunft starb. Sein kompositorisches Werk ist bis heute weitgehend unveröffentlicht geblieben.
Arnold Schönberg: Sechs kleine Klavierstücke op. 19
Ph. Herschkowitz: Klavierstücke in vier Sätzen (1969)
Anton Webern: Sonate für Cello und Klavier (1914)
Ph. Herschkowitz: Drei Stücke für Cello und Klavier
Elena Firsova: Two Inventions für Flöte solo (1977)
Dmitri Smirnov: The Music of the Spheres op. 86 für Klavier (1995)
Elena Firsova: Meditation in the Japanese Garden op. 54 für Flöte, Cello und Klavier (1992)
Mitwirkende:
Elisabeth Leonskaja, Klavier
Ulrike Anton, Flöte
Friedemann Ludwig, Violoncello
Elisabeth Leonskaja, Ulrike Anton und Elena Firsova im Gespräch mit Bettina Brand.
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung und ExilArte
(152) 26. Mai 2022 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
+ Flucht im letzten Moment: der Schreker-Schüler Hans Heller (1898-1969)
Nachdem eine Kriegsverletzung die Pianistenkarriere des deutsch-jüdischen Musikers durchkreuzt hatte, entschloss er sich zur Komponistenlaufbahn. Als Privatschüler Franz Schrekers machte Hans Heller rasche Fortschritte, wie seine Klaviersonate zeigt. Er schrieb sie 1926 für die Pianistin Inge Eichwede, seine spätere Frau. Vor dem NS-Regime floh die kleine Familie nach Paris, wo Heller trotz schwieriger Lebensbedingungen größere Werke schuf. Unter der deutschen Besatzung Frankreichs wurde er interniert und zu Zwangsarbeit gezwungen. Der Deportation in ein Vernichtungslager entkam er im letzten Moment. Das Programm enthält in Berlin, Paris und New York entstandene Werke Hellers. Über Leben und Werk Hans Hellers spricht Albrecht Dümling mit Prof. Wolfgang Eichwede, dem Neffen des Komponisten.
Klaviersonate op. 3 (Berlin 1926)
Vom kleinen Alltag op. 8. Vier Lieder nach Texten von Anton Wildgans (Berlin 1930)
Les Aveugles (Charles Baudelaire) für Mezzosopran und Klavier (Paris 1938)
Little Suite for piano (New York 1951)
Mitwirkende:
Jascha Nemtsov, Klavier
Tehila Nini Goldstein, Sopran
Albrecht Dümling im Gespräch mit Wolfgang Eichwede, dem Neffen des Komponisten, und Jascha Nemtsov
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(151) 10. März 2022 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
+ Die maßgebliche Rolle des Österreichers Victor Urbancic (1903-1958) für die isländische Musikszene
Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland versucht der Musiker Victor Urbancic vergeblich in die Schweiz und die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Daher entschließt er sich aus der Not heraus, eine Stelle auf Island anzunehmen. Dort bleibt er bis zu seinem Lebensende und nimmt über zwei Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Rolle im isländischen Musikleben ein. So leitet Urbancic u.a. die ersten Opernaufführungen am neugegründeten isländischen Nationaltheater und prägt als Lehrer eine ganze Generation isländischer Komponisten und Komponistinnen.
Aus: Trio in A-Dur (1921)
1. Satz: Mäßig bewegt, mit möglichst gesättigter Tongebung, wie ein Abend im Frühling
5. Satz: Munter und launig, gleich einem Lenzmorgen (Tempo und dynamische Schattierungen rasch wechselnd)
Lieder auf Verse von Melitta Grünbaum/Urbancic: "Ist alles zu lernen"
"Blume auf dem Acker meines Herrn"
"Ebene im Vorfrühling"
Elisabeth, 3 Gedichte von Hermann Hesse op. 8 (1936)
Mitwirkende:
Trio Magos
Maxi Hennemann, Klarinette
Sebastian Hennemann, Violoncello
Goun Kim, Klavier
Kristín E Mäntylä, Gesang
Manami Honda, Klavier
Melina Paetzold im Gespräch mit Sibyl Urbancic, der Tochter des Komponisten.
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
(150) 6. Januar 2022 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal
+ Ödön Pártos - ein Begründer der israelischen Kunstmusik
Ödön Pártos, 1907 in Budapest geboren, studierte dort bei Jenö Hubay Violine und bei Zoltán Kodály Komposition. Zwanzigjährig zog er nach Berlin, wo er ein eigenes Streichquartett gründete. Als er 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft kein Engagement mehr erhielt, wurde er Konzertmeister im neugegründeten Orchester des Kulturbunds Deutscher Juden. Auf Einladung Bronisław Hubermans trat Pártos 1938 ins neue Palästina-Sinfonieorchester ein, dem er bis 1956 als Solobratscher angehörte. Gleichberechtigt neben dem Musizieren stand das Komponieren, wobei er die europäische Avantgarde mit orientalischen Tonordnungen zu verschmelzen suchte.
Yizkor (in memoriam) für Viola und Klavier (1946)
Trauermusik (Orientalische Ballade) für Bratsche und Klavier (1955)
Agada (Legende) für Bratsche, Klavier und Schlagzeug (1962)
Kina (Klage) für Viola Solo (1973).
Mitwirkende:
Itamar Ringel (Bratsche), Thomas Hoppe (Klavier), Henrik Magnus Schmidt (Schlagzeug)
Habakuk Traber und Albrecht Dümling im Gespräch.
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Bareva Stiftung
2021
(149) 22. Oktober 2021 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Grunewaldkirche Berlin-Wilmersdorf
+ Ernst Bachrich (1892-1942) - eine starke Stimme aus der Schönberg-Schule
In der enormen Vielfalt an musikalischen Strömungen der 1920er Jahre stellt die Zweite Wiener Schule eine Orientierungsmarke dar. Einen festen Block bilden die Schönbergianer aber trotz gemeinsamer Überzeugungen nicht. Ernst Bachrich war einer von ihnen: 1916-19 Schüler Schönbergs, danach als Schriftführer und Pianist maßgeblich aktiv im "Verein für musikalische Privataufführungen", fand er als Komponist von Liedern und Klavier- und Kammermusik eine eigene Sprache. An der Wiener Volksoper und 1928-32 im Rheinland war er als Kapellmeister tätig. 1932 kehrte er nach Wien zurück und trug wieder zum Musikleben der Stadt bei, als Pianist, Dirigent und als einer der Leiter der Konzertreihe "Musik der Gegenwart". 1938 erhielt er Berufsverbot, im Mai 1942 wurde er ins Ghetto Izbica deportiert und wenige Wochen später im Vernichtungslager Majdanek umgebracht.
Psalm op. 10,1 (Text: Emil Arnold Holm)
Osterblüte op. 10,2 (Greta Bauer-Schwind)
Portraits: Drei Klavierstücke op. 6
- Vivace impetuoso
- Lento con abandono
- Improvisation über eine amerikanische Volksweise
Lied L'Angelus (Bretonische Volksweise)
Drei Gesänge op. 3
- Bestimmung (Christian Morgenstern)
- Schlummernd im schwellenden Grün (Friedrich Hebbel)
- Winter (Theodor Däubler)
Klaviersonate op. 1
Die frühen Verse op. 15 (Melodram, Emil Arnold Holm)
Anna Christin Sayn, Sopran
Alexander Breitenbach, Klavier
Frank Harders-Wuthenow, Anna Christin Sayn und Alexander Breitenbach im Gespräch mit Peter Sarkar
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Harald Genzmer Stiftung
(148) 10. September 2021 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Grunewaldkirche Berlin-Wilmersdorf
+ Schwieriges Erbe: der tschechisch-deutsche Komponist Hans Winterberg (1901-1991)
Nach dem Ende der Habsburger Monarchie entstand 1918 die Tschechoslowakische Republik. Auf ihrem Territorium lebten 9 Millionen Tschechen und 3 Millionen Deutsche. Nicht alle von ihnen wollten tschechische Staatsbürger werden. Während etwa Viktor Ullmann Österreicher blieb, entschied sich die Familie des 1901 in Prag geborenen deutsch-jüdisch-tschechischen Komponisten Hans Winterberg für die tschechische Nationalität. Seine Ehe mit einer nichtjüdischen Frau wurde 1944 aufgelöst und er ins Ghetto Theresienstadt eingeliefert. Nach dem Krieg übersiedelte der Komponist nach Bayern. Im Gespräch mit Albrecht Dümling berichtete sein Enkel Peter Kreitmeir über das schwierige Erbe Hans Winterbergs und die heutige Wiederentdeckung.
Programm:
Adagio aus Klaviersonate Nr. 1 (1936)
Theresienstädter Suite 1945 für Klavier
Sonate für Cello und Klavier (1951)
aus Impressionistische Klavier-Suite in drei Sätzen (ca. 1973)
1. Prestissimo leggiero molto
2. Con moto moderato (alla gondoliera)
Mitwirkende:
Adele Bitter (Violoncello)
Christophe Sirodeau (Klavier)
Peter Kreitmeir im Gespräch mit Albrecht Dümling
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Harald Genzmer Stiftung
(147) 10. Mai 2021 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Ballhaus Walzerlinksgestrickt, Berlin-Kreuzberg
+ Die Odyssee des Musikerpaares Irma und Stefan Wolpe
Dieses Konzert kann weiterhin bei Youtube gehört werden:
[https://youtu.be/QxcqacIKBQU]
Der gebürtige Berliner Stefan Wolpe war nach der Machtübertragung 1933 gleich dreifach gefährdet als Jude, Kommunist und Komponist "entarteter" Musik. Die Pianistin Irma Wolpe Rademacher war eine der wichtigsten Interpretinnen seiner Werke, konzertierte in Bukarest, Berlin, Paris sowie in Palästina und genoss international hohe Anerkennung. Das Musikerpaar lebte bis zu einer Großrazzia im März 1933 in Berlin, beide waren in der links gerichteten Novembergruppe aktiv. Als Jüdin erkannte sie die Gefahr; ihre politische Weitsicht und ihr Netzwerk retteten beide. Es begann die Odyssee ihrer Flucht über Cheb (Tschechien), Bukarest, Wien, Zürich zunächst nach Jerusalem, schließlich nach New York. In der Musikgeschichte werden beide heute wenig beachtet. Unser Programm wurde ergänzt durch ein Werk von Ursula Mamlok, die bei Stefan Wolpe studierte.
Dieses Konzert haben wir Austin Clarkson gewidmet (*1932 - 13. März 2021), Musikwissenschaftler und Professor an der York University Toronto. Als ehemaliger Schüler und Freund Stefan Wolpes war er der Vorsitzende der 1981 gegründeten Stefan Wolpe Society und hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Oeuvre Stefan Wolpes zu veröffentlichen und in zahlreichen Publikationen zu analysieren.
Programm: Werke von Stefan Wolpe
Tango für Irma (1927) für Akkordeon
aus: Cinque marches caractéristiques op. 10 (1928-1934) (Klavier)
- Andante tranquillamente / Marcia Funebre / Vivo e sereno
aus: Two Songs for Alto and Piano from the Song of Songs op. 24 (1937)
- Smolo Tahat Roshi (His left hand is under my head)
"If it be my fate" (1938) Hebräisch: aus Rachel; Englisch: Hilda Morley
"Epitaph" (1938) Hebräisch: anonym; Englisch: Hilda Morley
Palästina-Notenbuch (Klavier/Akkordeon), 1939
- Turque
- Jemenitischer Tanz Nr. 1
- Jemenitischer Tanz Nr. 2
- Jiddische Hochzeit
- Wiegenlied
- Hora
aus: Two Pieces for Piano (1941): Con fuoco
aus: Toccata (1941), Irma Wolpe gewidmet: Too much suffering in the world
Form IV (1969) für Klavier
Ursula Mamlok: Variations für Flöte solo 1961
Mitwirkende:
Irmela Roelcke, Klavier solo
Brynne McLeod, Mezzo-Sopran
Klaus Schöpp, Flöte solo
Ina Henning, Akkordeon
Moderation: Bettina Brand
Gesprächsgast: Nora Born, Herausgeberin des Briefwechsels zwischen Irma und Stefan Wolpe
Wir danken der Dwight und Ursula Mamlokstiftung [www.mamlokstiftung.com/],
der Stefan Wolpe Society [www.wolpe.org]
und Ulrike und Jojakim Balzer vom Ballhaus Walzerlinksgestrickt [https://walzerlinksgestrickt.de/kultur] für die großzügige Unterstützung.
Wie bei unseren bisherigen Gesprächskonzerten hat die Zentral- und Landesbibliothek Berlin wieder ein Verzeichnis über die dort verfügbaren Bücher, Noten und Aufnahmen zu unserem Thema erstellt. Sie finden es hier:
[https://www.zlb.de/de/fachinformation/spezialbereiche/musikbibliothek/ueber-uns/kooperationen.html]
(146) 10. April 2021 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Ballhaus Walzerlinksgestrickt, Berlin-Kreuzberg
+ "Text und Musik von mir". Der Kabarettist, Komponist und Pianist Willy Rosen (1894-1944)
Dieses Konzert kann weiterhin bei Youtube gehört werden:
[www.youtube.com/watch?v=9i0nORz7p88]
Der in Magdeburg geborene Willy Rosen hieß eigentlich Wilhelm Julius Rosenbaum. Seine größte Fähigkeit war die des Alleinunterhalters am Klavier, die ihn nahezu durch alle Länder der Welt führte. 1924 kehrte er nach Berlin zurück und trat in verschiedenen Kabaretts auf, um schließlich im "Kabarett der Komiker" zu landen. Nach Auftrittsverbot 1933 trat er mit Max Ehrlich im Jüdischen Kulturbund auf. 1936 gründete er in den Niederlanden das "Theater der Prominenten". 1944 wurde er nach Theresienstadt deportiert und in Auschwitz ermordet.
Ensemble Zwockhaus: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch, Gesang
Nikolai Orloff, Klavier
Timofej Sattarov, Akkordeon
Volker Suhre, Kontrabass
Moderation: Winfried Radeke im Gespräch mit Klaus Völker
Wie bei unseren bisherigen Gesprächskonzerten hat die Zentral- und Landesbibliothek Berlin wieder ein Verzeichnis über die dort verfügbaren Bücher, Noten und Aufnahmen zu unserem Thema erstellt. Sie finden es hier:
[https://www.zlb.de/de/fachinformation/spezialbereiche/musikbibliothek/ueber-uns/kooperationen.html]
2020
(145) 6. Oktober 2020 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Die Brüche in der Vorgeschichte des Julius-Stern-Instituts. Julius Stern zum 200. Geburtstag
Vor 170 Jahren wurde die Musikschule für Gesang, Klavier und Komposition von Julius Stern mitgegründet und ab 1857 als Stern'sches Konservatorium allein geleitet. Der von ihm gegründete Stern'sche Gesangverein hatte seinen ersten öffentlichen Auftritt gemeinsam mit der Königlichen Kapelle 1851 im Schauspielhaus (heute Konzerthaus) und ein weiteres Konzert ebenfalls an diesem Ort 1852 mit Joseph Joachim. Heute ist das Julius-Stern-Institut Teil der Fakultät Musik der Universität der Künste und widmet sich der musikalischen Nachwuchsförderung. 1935 wurde das Stern'sche Konservatorium durch Entlassung der jüdischen Lehrer und Schüler "arisiert". Entlassene Musiker*innen gründeten daraufhin in einer Privatwohnung die Jüdische private Musikschule Hollaender, in der hochbegabte Jugendliche wie Ruth Schönthal und Ursula Mamlok ihr Kompositionsstudium fortsetzen konnten.
Programm:
Julius Stern: Variationen op. 42 über Sanctissima! - Sizilianisches Schifferlied
Simon Zhu, Violine; Klemens Elias Braun, Klavier
Ruth Schönthal: "Manchmal" und "Eine rote Rose" aus Wildunger Liederzyklus
Julius Stern: "Tröstliche Verheißung" und "Dein auf ewig" aus den Gesängen für hohe Stimme op. 26
Aiko Christina Bormann, Sopran; Maria Rumyantseva, Klavier
Ursula Mamlok: From My Garden
Elias Sturm, Viola
Erwin Schulhoff: Sonate für Flöte und Klavier, 1. Satz
Dascha Schuster, Flöte; Maire-Claire Indilewitsch, Klavier
Bettina Brand im Gespräch mit Prof. Anita Rennert und Dr. Cordula Heymann.
(144) 10. September 2020 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Toch, Hindemith, Ullmann. NS-verfolgte Komponisten im Schott-Verlag
Von den Verfolgungsmaßnahmen des NS-Staates gegen Musiker jüdischer Herkunft waren auch bei Schott verlegte Komponisten betroffen. So konnten die Werke von Ernst Toch plötzlich nicht mehr gespielt werden, was ihren Autor in Existenzprobleme brachte. Wie Toch wurde auch Paul Hindemith ins Exil getrieben. Peter Hanser-Strecker berichtete im Gespräch mit Albrecht Dümling, wie sein traditionsreiches Verlagshaus auf den Anpassungsdruck des Regimes reagiert hat und warum es später auch die Werke Viktor Ullmanns druckte und vertrieb.
Mit diesem Konzert wurde das 250jährige Jubiläum des Schott-Verlags und zugleich das 30jährige Bestehen des Fördervereins musica reanimata begangen.
Programm:
Ernst Toch: Der Jongleur für Klavier op. 21 (1923) und vier Lieder aus: Neun Lieder für Sopran und Klavier op. 41 (1928)
Paul Hindemith: Sonate für Oboe und Klavier (1938)
Viktor Ullmann: 1. Satz der Klaviersonate Nr. 6 op. 49 (1943) und Abendphantasie nach Friedrich Hölderlin für Sopran und Klavier (1943)
Mit Anna Maria Pammer (Sopran), Viola Wilmsen (Oboe) und Holger Groschopp (Klavier).
Peter Hanser-Strecker im Gespräch mit Albrecht Dümling
(143) 20. Februar 2020 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Das musikalische Allroundtalent: Ingolf Dahl (1912-1970)
Mitte des 20. Jahrhunderts kannte in der Musikszene von Los Angeles jeder den Komponisten, Pianisten und Dirigenten Ingolf Dahl. Doch über seine ursprüngliche Identität als ein geflohener jüdischer Deutscher namens Walter Marcus wusste nur seine Frau Bescheid. In Hamburg geboren, geht Dahl zum Studium bei Philipp Jarnach nach Köln und anschließend nach Zürich, wo er am Stadttheater bereits mit Mitte Zwanzig Assistenzdirigent wird. 1939 folgt die Ausreise nach Los Angeles. Dort prägt er maßgeblich die zeitgenössische Musikszene und gibt als Professor an der University of Southern California die ersten Kurse zu Igor Strawinsky sowie zu Film- und Radiomusik. Michael Tilson Thomas, Chefdirigent des San Francisco Symphony Orchestra, bezeichnete seinen Lehrer als "musicians' musician", einen hervorragenden und inspirierenden Musiker.
Sonata Pastorale (1959) für Klavier
Divertimento für Viola und Klavier (1948)
Five Duets for Clarinets (1970)
Carolin Krüger, Viola
Imke Lichtwark, Klavier
Melina Paetzold und Vanessa Klöpping, Klarinetten
Melina Paetzold im Gespräch mit Volker Ahmels
2019
13./14. Dezember 2019
Staatliches Institut für Musikforschung Berlin, Curt-Sachs-Saal
Symposium und Konzerte
Torso eines Lebens. Der Komponist und Pianist Gideon Klein zum 100. Geburtstag (1919-1945)
Mehr Information: [Kooperation»]
(142) 21. November 2019 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Edvard Moritz (1891-1974) und das Saxophon - eine Spurensuche
Der Hamburger Kaufmannssohn Eduard Moritz zog früh nach Paris, wo Louis-Joseph Diémer (Klavier) und George Enescu (Violine) seine Lehrer waren. In Berlin setzte er seine Studien bei Georg Bertram (Klavier), Carl Flesch (Violine) und Paul Juon (Kontrapunkt) fort. Die Musikerlaufbahn begann verheißungsvoll: Arthur Nikisch brachte 1919 seine "Burleske" op. 9 mit den Berliner Philharmonikern zur Uraufführung. Der Aufstieg endete, als Moritz ab 1933 wegen seiner "nichtarischen" Herkunft auf den Jüdischen Kulturbund beschränkt blieb. 1937 floh er in die USA, wo er wieder ganz neu anfangen musste. Das von Albrecht Dümling moderierte Gesprächskonzert stellte frühen Klavierwerken von Edvard Moritz Stücke gegenüber, die er in New York für den Saxophonisten Cecil Leeson schuf.
Vier Klavierstücke op. 1 (1917)
Drei Intermezzi für Klavier op. 12 (1918)
Sonata for E flat alto Saxophone and Piano op. 96 (1939)
Intermezzo for E flat alto Saxophone and Piano op. 103 (ca. 1940)
Christoph Enzel, Saxophon
Holger Groschopp, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Christoph Enzel
(141) 12. September 2019 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Aufrechten Ganges. Hanning Schröder - ein Verfemter rettet Verfolgte
Hanning Schröder und seine Frau Cornelia, geb. Auerbach, die mit 15 noch den Unterricht von Max Reger genossen hatte und die erste promovierte Musikwissenschaftlerin in Deutschland wurde, fanden sich in der Sphäre von Neobarock, historischer Aufführungspraxis, Laien- und Arbeitermusik. Die Hinneigung zur Linken war für die Nazis Grund genug, Schröder Berufsverbot zu erteilen. Seine jüdische Ehefrau schickte er mit der Tochter um deren Sicherheit willen in die Provinz. Derweil bot er in seiner Zehlendorfer Wohnung einem jungen jüdischen Paar Unterschlupf, das dadurch überlebte. Nach dem Krieg waren die Schröders in Ost-Berlin tätig, im Komponistenverband und in der Akademie der Künste; nach dem Mauerbau waren sie von diesen Wirkungsstätten abgeschnitten. Schröder, der noch im Alter die Zwölftontechnik adaptierte, wurde zum väterlichen Freund der "Gruppe Neue Musik" in West-Berlin.
Sonate für Violine und Klavier (1922)
"Briefe" nach Texten von Christian Morgenstern für Sopran und Streicher (1931, Fassung mit Klavier)
Suite für Klavier (1927)
Musik für 4 Instrumente in memoriam: Lied der Moorsoldaten (1953), daraus 2. Satz
Sieben Miniaturen für Streichquartett (1971)
Akos-Quartett: Alexis Gomez und Aya Murakami, Violinen; Théo Delianne, Viola; Cyrielle Golin, Cello
Yvonne Friedli, Sopran
Fidan Aghayeva-Edler, Klavier
Nele Hertling, die Tochter des Komponisten, im Gespräch mit Gottfried Eberle.
(140) 25. Juni 2019 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Staatenlos, gejagt, deportiert. Die Musiker Paul Hermann und Géza Frid
Die ungarisch-jüdischen Komponisten und Instrumentalisten, der Cellist Paul Hermann (1902-1944) und der Pianist Géza Frid (1904-1989), studierten bei Béla Bartók und Zoltán Kodály. Beide starteten eine internationale Karriere, die nach der Machtübertragung 1933 jäh unterbrochen wurde. Paul Hermann lebte in der Folge in Brüssel und Paris, wurde 1944 in das KZ Drancy und von dort in das vom Deutschen Reich okkupierte Baltikum deportiert, wo sich seine Spur verliert. Géza Frid überlebte versteckt in den Niederlanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er eine Karriere als Dirigent und Komponist weiterverfolgen.
Paul Hermann: Andante für Klaviertrio (1924); Allegro (1920) und Toccata (1935) für Klavier
Géza Frid: Capriccio concertante für Flöte und Klavier (1930), Klaviertrio op. 27 (1947)
Eleonore Pameijer, Flöte
Burkhard Maiß, Violine
Bogdan Jianu, Violoncello
Andrei Banciu, Klavier
Arthur Frid, Sohn von Géza Frid und Corrie Hermann, Tochter von Paul Hermann, im Gespräch mit Bettina Brand
Mit freundlicher Unterstützung des Königreichs der Niederlande
"In Freiheit zu leben scheint uns heute ganz selbstverständlich zu sein, aber das ist es nicht. Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele Bürger Opfer von Unterdrückung, politischer Verfolgung, Terror und Menschenrechtsverletzungen. Deshalb ist es auch weiterhin notwendig, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu erzählen. Damit die Menschen weiterhin erkennen, was es bedeutet, in Freiheit zu leben. Es ist uns darum auch ein wichtiges Anliegen, diese Veranstaltung mit zwei niederländischen Zeitzeugen zu fördern."
Wepke Kingma
Botschafter der Niederlande
(139) 21. Februar 2019 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Aus dem Frankfurter Konservatorium vertrieben: Bernhard Sekles und Mátyás Seiber
Bernhard Sekles studierte zunächst am Hoch'schen Konservatorium in Frankfurt bis er 1924 selbst Direktor des Instituts wurde. Die Leitung der von ihm eingerichteten neuen Jazz-Klasse übernahm Mátyás Seiber. Ein Schüler dieser Klasse war Walter Würzburger. Durch die Nationalsozialisten wurde die Karriere aller drei Komponisten abrupt beendet.
Bernhard Sekles: Hafis-Lieder op. 11, Klaviersuite op. 34, Kleiner Shimmy
Mátyás Seiber : Rhythmische Studien für Klavier, Der Song vom Bridge, Der Song vom Nas Everhull
Walter Würzburger: Two Jazz Quartets for 4 horns
Jascha Nemtsov, Klavier
Jörg Gottschick, Gesang
Hornquartett: Cristiana Neves Custódio, Rebecca Luton, Christopher Williams, Ricky Lee
Albrecht Dümling im Gespräch mit Jonathan Wipplinger
(138) 10. Januar 2019 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Als Fälscher diffamiert: der Geiger Fritz Kreisler
Fritz Kreisler war nicht nur ein berühmter Geiger, sondern auch ein vielgespielter Komponist. Dass er dabei eigene Stücke als Werke von Couperin, Boccherini oder Dittersdorf ausgab, galt den Nazis als bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Im Gespräch mit Harald Eggebrecht, dem Autor des Standardwerks Große Geiger, widmete sich Albrecht Dümling auch den weniger bekannten Seiten von Kreislers Schicksal. Die Geigerin Judith Ingolfsson und der Pianist Vladimir Stoupel spielten Werke von Kreisler, aber auch Rachmaninows virtuose Klavierbearbeitung von "Liebesfreud".
Judith Ingolfsson, Violine
Vladimir Stoupel, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Harald Eggebrecht und Vladimir Stoupel
2018
(137) 4. Oktober 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Neubeginn nach dem "Anschluss"? Das Musikerpaar Vally und Karl Weigl
Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 galten Vally wie auch Karl Weigl nach den NS-"Rassegesetzen" als jüdisch. Beide gelangten über Umwege nach New York. Bis dahin wurden die Werke Karl Weigls (1881-1949) von namhaften Ensembles und Dirigenten aufgeführt. Im Exil komponierte er zwar weiter, ein Neubeginn in den USA als Komponist blieb ihm allerdings verwehrt. Vally Weigl (1894-1982) intensivierte im Exil ihr kompositorisches Schaffen und legte im Laufe der Jahre ein umfangreiches Oeuvre vor.
Vally Weigl: New England Suite für Flöte, Cello und Klavier
Bird of Life für Flöte solo
Karl Weigl: Pictures from Childhood für Flöte und Klavier
Sonate in G-Dur für Cello und Klavier
Rosy Wertheim: Trois Morceaux für Flöte und Klavier
Mitwirkende: Ulrike Anton, Flöte
Friedemann Ludwig, Violoncello
Russel Ryan, Klavier
Ulrike Anton im Gespräch mit Bettina Brand
Dieses Konzert wurde gefördert durch die Karl Weigl Foundation in San Rafael (Kalifornien) und das Österreichische Kulturforum Berlin:
(136) 13. September 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Im Einsatz für die jüdische Musik. Der Komponist Hans Krieg in Holland
Hans Krieg, 1899 im schlesischen Haynau geboren, studierte in Leipzig und Berlin. Ab 1928 leitete er in Breslau den Chor der jüdischen Gemeinde und Arbeiterchöre. 1933 floh er nach Amsterdam, wurde aber dann 1943 mit seiner Frau und den Töchtern Susanne und Mirjam zunächst ins Durchgangslager Westerbork und von dort nach Bergen-Belsen deportiert. Sie kamen im April 1945 in den "verlorenen Transport", der nach Theresienstadt gehen sollte, aber nach einer Irrfahrt von 13 Tagen durch die Rote Armee in der Nähe von Tröbitz in Barndenburg befreit wurde. Die Familie konnte in die Niederlande zurückkehren. Hans Krieg etablierte sich hier als Komponist, Sänger, Chorleiter und Musikforscher. Er starb am 26. November 1961 in Amsterdam.
Preghiera für Violine und Klavier op. 38 (1923)
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? op. 39/2 (Erich Kästner)
Ohne Himmel und Erde op. 41/2 (Hans Seiffert)
Ein unvollendetes Thema op. 39/5 (Christoffer Rex)
Purim-Ballade für Klavier (1937)
Tsaddik katamar op. 63 (Psalm 92, 13-16) (1936)
Een lied van heimwee op. 57/1 (Pieter G. Buckinx) (1937)
Waar bleven de Joden van ons Amsterdam (Text und Musik: Hans Krieg 1947)
Jiskor für Klavier (1949/50)
Abendtrauer op. 8/1 (Stefan Zweig) (1946)
Suite für Violine und Klavier (1948), 1. Satz: Adagio
Georg Streuber, Bariton
Katja Kulesza, Violine
Johanne von Harsdorf, Klavier
Mirjam Krieg, eine Tochter des Komponisten, im Gespräch mit Peter Sarkar
(135) 21. Juni 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Brücken bauen mit Musik: der deutsch-amerikanische Komponist Samuel Adler
Zehnjährig war Samuel Adler, Sohn eines Mannheimer Kantors, 1938 vor der Judenverfolgung in die USA geflohen. Als Soldat kehrte er 1951 nach Deutschland zurück und gründete dort das 7th Army Symphony Orchestra, das mit Konzerten erfolgreich zur deutsch-amerikanischen Verständigung beitrug. Adler, heute in den USA einer der wichtigsten Komponisten und Kompositionslehrer, war anlässlich seines 90. Geburtstags Gesprächsgast bei musica reanimata.
Songs of Innocent Love für Sopran, Violine und Klavier auf Dichtungen von Selma Meerbaum-Eisinger (2016)
Sonate für Violine und Klavier Nr. 4 (1989)
Choral Trilogy für Vokalensemble und Klavier (2012)
Sabine Goetz, Sopran
Noah Bendix-Balgley, Violine
Phillip Moll, Klavier
Vokalensemble sirventes berlin, Leitung: Stefan Schuck, Klavier: Patrick Walliser
Albrecht Dümling im Gespräch mit dem Komponisten
(134) 3. Mai 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Ein Wiener Jude in Buenos Aires: Guillermo Graetzer (1914 - 1993)
Das Musikleben Nord- und Südamerikas wurde durch die gewaltsame Vertreibung jüdischer Künstler aus Mitteleuropa bereichert, insbesondere wenn die Neuankömmlinge die Chance bekamen, sich gut zu integrieren. Wilhelm Grätzer, der sich in Argentinien Guillermo Graetzer nannte, war so ein Glücksfall. Er studierte bei Ernst Lothar v. Knorr, Paul Hindemith und Hans Boettcher in Berlin und bei dem Schönbergschüler Paul Amadeus Pisk in Wien. Ende 1938 floh er mit seinen Eltern und dem jüngeren Bruder nach Buenos Aires. Dort wirkte er als einflussreicher Pädagoge und als Komponist. Das stilistische Spektrum seiner Musik reicht von der Hindemith-Nachfolge bis zum Serialismus.
Nr. 3 aus 3 toccatas (1938) für Klavier
Grave für Violine solo (1945)
5 bagatelas (1943-46) für Klavier
Epitafio para J. J. Castro für Klarinette und Klavier (1982)
Sestina für Violine und Klavier (1976, Antonio Spiller gewidmet)
Melina Paetzold, Klarinette
Clemens Linder, Violine
Holger Groschopp, Klavier
Carlos Graetzer, der Sohn des Komponisten und der Geiger Antonio Spiller im Gespräch mit Peter Sarkar
(133) 8. März 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ "Schön war das Märchen - jetzt ist es zu Ende"
Das Schicksal Paul Abrahams (1882 - 1960)
Der aus Ungarn stammende Paul Abraham wandte sich bald der Operette, später auch dem Tonfilm zu. In seinen knapp drei Jahren in Berlin avancierte er zum meistgespielten Operettenkomponist (Blume von Hawaii, Ball im Savoy, Märchen im Grand Hotel, Viktoria). Seine Flucht vor den Nazis führte ihn auf Umwegen schließlich nach New York. Er konnte hier jedoch nicht Fuß fassen und wurde bald krank und geistig verwirrt, ein "tragischer König der Operette" - so der Titel der Abraham-Biografie von Klaus Waller.
Auswahl von Titeln aus:
Viktoria und ihr Husar
Die Privatsekretärin
Ball im Savoy
Glück über Nacht
Märchen im Grandhotel
Blume von Hawaii
Ensemble Zwockhaus: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch, Gesang · Nikolai Orloff, Klavier · Karola Elßner, Saxophon · Sven Kalis, Schlagzeug · Volker Suhre, Kontrabass
Winfried Radeke im Gespräch mit Klaus Waller
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die GEMA-Stiftung
(132) 25. Januar 2018 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Pionier Neuer Musik in Schweden: der Komponist Hans Holewa (1905-1991)
Das Verbot der Sozialdemokratischen Partei Österreichs brachte Holewa 1934 um seine wichtigste Einkommens-quelle, hatte er doch bis dahin sozialdemokratische Chöre geleitet. Trotz seiner jüdischen Herkunft floh er deshalb nicht aus "rassischen" Gründen bereits vor dem "Anschluss" Österreichs nach Schweden. Dort wurde Holewa nach einem schwierigen Start schließlich mit Kammer- und Orchesterwerken einer der bedeutendsten, hier aber fast unbekannten Vertreter der Neuen Musik.
Drei Stücke op. 3 Nr. 1 für 2 Violinen (1931)
Suite Nr. 1 für Violine und Klavier (1945)
Sonate für Violine und Klavier (1985)
Duo Gelland: Cecilia und Martin Gelland, Violine
Ute Gareis, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Michael Kube
2017
(131) 26. September 2017 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Von Saarbrücken nach Tel Aviv. Tzvi Avni zum 90. Geburtstag
Tzvi Avni (*2.9.1927), Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Saarbrücken und von Tel Aviv, zählt zu den bedeutendsten Komponisten Israels, des Landes, in das er bereits 1935 mit seinen Eltern flüchtete. Zunächst studierte er autodidaktisch und später bei Abel Ehrlich und Paul Ben-Haim. 1958 graduierte er an der Israel Music Academy in Tel Aviv bei Mordechai Seter und setzte seine Studien in den USA fort. Seit 1971 unterrichtet er an der Jerusalem Rubin Academy of Music and Dance als Professor für Komposition und leitet das Electronic Music Studio. Im Alter von 90 Jahren ist Tzvi Avni immer noch vielfältig aktiv: als Komponist und Pädagoge ebenso wie als engagierter Brückenbauer zwischen Israel und Deutschland.
Dedication für Klavier solo (2016), Deutsche Erstaufführung
Echoes From The Past für Klarinette solo (1970)
Kol für Violine solo (2011), Kolja Lessing gewidmet
Gesharim (Brücken) für zwei Violinen (2004)
Kolja Lessing, Violine und Klavier
Holger Koch, Violine
Melina Paetzold, Klarinette
Tzvi Avni im Gespräch mit Bettina Brand und Kolja Lessing.
(130) 29. Juni 2017 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Oscar Straus - vom "Überbrettl" nach Hollywood und wieder zurück
Um 1900 pendelte Oscar Straus (1870-1954) als Komponist zwischen Wien und Berlin. Hier gründete er mit Ernst von Wolzogen das Kabarett "Überbrettl". Nicht weniger als zehn Titel aus dieser Zeit, die in diesem Gesprächskonzert erklangen, schlummerten bislang in Bibliotheken.
Ihr Komponist floh als Jude vor der Verfolgung durch Hitlerdeutschland und kehrte erst 1948 als amerikanischer Staatsbürger nach Österreich zurück.
Valse Hypermoderne (Instr.)
Altes Ghettoliedchen / Text: Hugo Salus
Der lustige Ehemann / Text: Otto Julius Bierbaum
Radlers Seligkeit / Text: Richard Dehmel
Müde / Text: Detlev Freiherr von Liliencron
Das Herz in der Linde / Text: Otto Julius Bierbaum
Das Blumenmädel / Text: Leo Heller
Didel - Dudel - Dadel / Text: Rideamus
Das nüchterne Mädchen / Text: Rideamus
Herr Duncan / Text: Georg Kleinecke
Der Äppel-Seppel / Text: Rideamus
Moderne Treue / Text: Marie Madeleine
Das Kamm-Lied / Text: Rideamus
Couplet Schnidibumpfel / Text: Rideamus
Donnerwetter / Text: Rideamus
Ensemble Zwockhaus: Maria Thomaschke, Andreas Jocksch (Gesang)
Olaf Taube (Xylophon, Schlagzeug) · Volker Suhre (Kontrabass) · Nikolai Orloff (Klavier)
Dr. Stefan Frey (München) im Gespräch mit Winfried Radeke.
(129) 6. April 2017 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Der Komponist Konstanty Regamey (1907-1982) im Warschauer Untergrund
Nach der Eroberung Polens durch die deutsche Wehrmacht wurde den Polen jegliche kulturelle Tätigkeit verboten. Illegale Konzerte fanden trotzdem statt. Bei einem solchen wurde 1944 Regameys geniales Quintett für Klarinette, Fagott, Violine, Cello und Klavier aufgeführt. Regamey war auch in der Widerstandsbewegung aktiv. Nach dem Warschauer Aufstand wurde er verhaftet, wegen seines Schweizer Passes aber in die Schweiz abgeschoben. Dort war er als Indologe und Linguist wie auch als Komponist und Musikpublizist tätig. Unser Gesprächsgast, der Musikforscher Prof. Jürg Stenzl, war mit Regamey befreundet.
modern art ensemble:
Helge Harding, Klarinette · Alexander Hase, Fagott
Jean-Claude Velin, Violine · Anna Carewe, Violoncello · Yoriko Ikeya, Klavier
Prof. Dr. Jürg Stenzl im Gespräch mit Peter Sarkar.
Dieses Konzert wurde unterstützt durch die Harald Genzmer Stiftung und die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
(128) 16. März 2017 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Exil als Rettung und Sackgasse. Die Komponisten Leopold Spinner und Julius Schloß, betrachtet von Juan Allende-Blin
Leopold Spinner hatte zuletzt noch bei Anton Webern studiert, bevor er 1939 nach London fliehen konnte. Dort fand er Beschäftigung beim Musikverlag Boosey & Hawkes und stieg bis zum Chief Editor auf. Für den Alban-Berg-Schüler Julius Schloß entwickelte sich das Exil dagegen zur Sackgasse. Aus dem KZ Dachau entkam er 1939 nach Shanghai und schließlich in die USA, wo seine Musikerlaufbahn ein frühes Ende fand. Juan Allende-Blin, der Pionier der Exilmusik- Forschung, widmete sich diesen beiden so unterschiedlichen Komponisten.
Julius Schloß: Streichquartett in einem Satz (1928)
Leopold Spinner: Sonatine für Klavier op. 22
Tomas Bächli, Klavier
Ensemble Zeitlos: Claudia Sack und Wolfgang Bender, Violinen · Kirstin-Maria Pientka, Viola · Gabriella Strümpel, Violoncello
Albrecht Dümling im Gespräch mit Juan Allende-Blin.
2016
(127) 22. November 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Geflohen - verstummt - wiederentdeckt. Der Komponist Berthold Goldschmidt
Die Karriere des jungen Berthold Goldschmidt hatte verheißungsvoll begonnen. 1932 kam seine Oper "Der gewaltige Hahnrei" in Mannheim zur erfolgreichen Uraufführung. Als seine Werke ab 1933 nicht mehr gespielt werden durften, floh er von Berlin nach London. Jahrzehntelang komponierte er nicht mehr und geriet fast in Vergessenheit. 1987 leiteten die Berliner Festwochen ein grandioses Comeback ein und eine Alterskarriere, die international Furore machte.
Little Legend für Klavier solo (1923/57)
Time für Stimme und Klavier (1943)
Zwei Morgensternlieder op. 27 (1933): Nebelweben / Ein Rosenzweig
Klaviersonate op. 10
Mitwirkende: Kolja Lessing (Klavier)
Martin Bruns (Bariton)
Bettina Brand im Gespräch mit Kolja Lessing und Albrecht Dümling
(126) 20. Oktober 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Zum 25. Todestag von Ernst Krenek - Schöpfer "entarteter" Musik
Ernst Kreneks überaus erfolgreiche Oper "Jonny spielt auf" (1927) rief sofort heftige Nazi-Proteste hervor. Die Titelfigur, der schwarze Jazzmusiker Jonny, wurde 1938 als Inbegriff von "Rassenschande" auf dem Plakat der Ausstellung "Entartete Musik" abgebildet. Obwohl der Komponist kein Jude war, floh er nach dem deutschen Einmarsch in Österreich in die USA, wo er sich schöpferisch und theoretisch mit allen musikalischen Strömungen seiner Zeit auseinandersetzte.
Ernst Krenek: Tanzstudie op. 1b für Klavier (1920)
Auswahl aus Italienische Balladen op. 77b (1934): Il Cavalier di Francia und La Monachella e il Demonio
Fünf Lieder nach Worten von Franz Kafka op. 82 (1937/38)
Suite aus Echoes from Austria op. 166 (1958)
The Flea op. 175 nach John Donne (1960)
Klaviersonate Nr. 7 op. 240 (1988)
Gladys Krenek: Zeit XXIV (nach Renata Pandula) (1976)
Mitwirkende: Holger Groschopp (Klavier)
Anna Maria Pammer (Sopran)
Albrecht Dümling im Gespräch mit Prof. Claudia Zenck
(125) 23. Juni 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Auch in Paris nicht mehr sicher. Alexandre Tansman zwischen Polen, Frankreich und den USA
Seine polnische Heimat verließ der gerade 22jährige Alexandre Tansman, nachdem er 1919 den nationalen Kompositionswettbewerb gewonnen hatte. In Paris, seiner neuen Heimat, reüssierte er schnell im Umkreis der Groupe des Six und startete von hier aus eine Welttournee. Der Einmarsch deutscher Truppen in Paris trieb Tansman 1940 in die Flucht. Als Antwort auf Antisemitismus und den Verlust der französischen Staatsbürgerschaft setzte er sich verstärkt mit jüdischen Traditionen auseinander. Nach fünf Jahren in Kalifornien, wo er mit Filmmusik überlebte, kehrte Tansman 1946 wieder nach Paris zurück. In seinem umfangreichen Schaffen fallen starke Akkordballungen ("Wolkenkratzer-Akkorde") auf sowie eine von Strawinsky geprägte Rhythmik.
Suite pour Trio d´Anches
Sonatine für Fagott und Klavier (1952)
Mitwirkende: Frederique Brillouin (Oboe) | Susanne Pudig (Klarinette)
Wolfgang Bensmann (Fagott) | Petra Schnier (Klavier)
Winfried Radeke im Gespräch mit Andrea Brill
(124) 14. April 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Avantgarde und Arbeiterlied - wie aus Imre Weisshaus Paul Arma wurde
Der 1904 in Budapest geborene Imre Weisshaus studierte in seiner Heimatstadt bei Béla Bartók Klavier und Komposition. Auf Einladung von Henry Cowell reiste er 1927 in die USA, wo er in Konzerten und Kursen die dort noch nahezu unbekannte moderne europäische Klaviermusik und eigene, von Cowell als "abstrakt" charakterisierte Werke vorstellte. 1930 ließ sich Weisshaus in Berlin nieder. In der politisch zugespitzten Lage am Ende der Weimarer Republik engagierte er sich in der Arbeitermusikbewegung und diente Hanns Eisler zeitweise als Assistent. 1933 floh er nach Paris und nahm den Namen Paul Arma an. Er blieb in Frankreich. 1987 starb Paul Arma in Paris.
Deux Recitatifs für Violine solo (1925)
Transparence für Klavier (1928)
Das Rote Saar-Lied (1933, Erich Weinert)
Song vom Strick (1933, Fritz Hoff /Louis Aragon)
Sonate für Violine und Klavier op. 138 (1949) ** Uraufführung **
Mitwirkende: Judith Ingolfsson (Violine)
Vladimir Stoupel (Klavier)
Jörg Gottschick (Bariton, Rezitation)
Albrecht Dümling im Gespräch mit dem Arma-Forscher Tobias Widmaier
(123) 3. März 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ verboten - verfolgt - enteignet. Die dramatische Geschichte der Edition C. F. Peters
Der 1800 in Leipzig gegründete Verlag C. F. Peters ist einer der ältesten und renommiertesten Musikverlage weltweit. 1900 übernimmt Henri Hinrichsen die Edition. Im Zuge der "Entjudung der deutschen Wirtschaft" belegen ihn die Nationalsozialisten mit Berufsverbot. Der Verlag wird "arisiert" und zu einem Spottpreis verkauft. Walter und Max Hinrichsen fliehen nach New York und London und gründen dort neue Verlage. Henri Hinrichsen wurde 1942 in Auschwitz ermordet.
Im Gespräch erinnerte die Enkelin Irene Lawford-Hinrichsen an die wechselvolle Geschichte des Familienunternehmens, das erst 2013 in sein Stammhaus in Leipzig zurückgekehrt ist. Albrecht Dümling (als Eisler-Eperte) und Ursula Mamlok steuerten weitere Aspekte bei.
Felix Mendelssohn Bartholdy: Variations concertantes für Cello und Klavier op. 17 (1829)
Arnold Schönberg: Phantasy for violin with piano accompaniment op. 47 (1949)
Hanns Eisler: Dritte Sonate für Klavier (1943)
Ursula Mamlok: Panta Rhei (Time in flux) für Violine, Violoncello und Klavier (1981)
Mitwirkende: Johanna Pichlmair, Violine
Adele Bitter, Violoncello
Holger Groschopp, Klavier
Irene Lawford-Hinrichsen, Ursula Mamlok und Albrecht Dümling im Gespräch mit Bettina Brand.
(122) Donnerstag, 28. Januar 2016 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Er weigerte sich, in Nazi-Deutschland aufzutreten: der Geiger Adolf Busch
Unter den Musikern, deren Karriere durch die Nazis nachhaltig beschädigt wurde, ist Adolf Busch (1891-1952) eine Ausnahme. Er wurde nicht gezwungen, Deutschland zu verlassen, denn er war weder Jude noch Sozialist oder Avantgardist. Nachdem er aber am 1. April 1933 in Berlin die organisierten Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte beobachtet hatte, stornierte er sofort alle Auftritte in Deutschland. 1939 emigrierte er in die USA.
Busch war auch ein vielseitiger Komponist. Er hatte in Köln bei Fritz Steinbach studiert und später starke Anregungen von Max Reger empfangen. Unser Gesprächskonzert stellte eine Auswahl seiner intelligenten und feinsinnig ausgearbeiteten Kammermusik vor, Busch komponierte aber auch Orgel-, Orchester- und Chorwerke.
Serenade für Streichquartett op. 14, 1. Satz
2 Sätze aus der Suite für Viola solo op. 16a
Streichquartett h-Moll op. 29
Nr. 1-3 aus den Neun Stücken für Streichquartett op. 45
Ensemble Zeitlos:
Claudia Sack und Julia Prigge, Violinen · Francesca Zappa, Viola · Gabriella Strümpel, Violoncello
Carlos María Solare, Viola (Suite op. 16a)
Prof. Dominik Sackmann (Basel/Zürich) und Julia Prigge im Gespräch mit Peter Sarkar
2015
(120, 121) 24. und 25. November 2015 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
Jubiläumskonzerte 25 Jahre musica reanimata
+ Artur Schnabel - Komponist und Interpret
Als der berühmte Theodor Leschetizky seinem Klavierschüler Artur Schnabel prophezeite "Aus dir wird nie ein Pianist - du bist ein Musiker", war dies nicht als Kritik, sondern als Kompliment gemeint. Schnabel, der zeitlebens das Komponieren als die beglückendste Tätigkeit empfand, lehnte musikalisches Spezialistentum ab. Wie nur wenige Musiker des 20. Jahrhunderts hielt er an der noch im 19. Jahrhundert üblichen Einheit von Komponist, Lehrer und Ausführendem fest. In zwei Konzerten erinnerte musica reanimata an diesen überragenden, 1933 aus Berlin vertriebenen Künstler. Beide Konzerte wurden von Albrecht Dümling und Stefan Litwin gemeinsam moderiert.
24. November
Artur Schnabel: Piece in seven movements (1936/37)
Ludwig van Beethoven: Sonate für Klavier und Violoncello D-Dur op. 102, Nr. 2
Artur Schnabel: Klavierquintett für Klavier, 2 Violinen, Viola und Violoncello (1915/16)
Stefan Litwin, Klavier
Mario Blaumer, Violoncello
Irmela Roelcke, Klavier
Bennewitz Quartett (Prag): Jakub Fišer, Violine · Štěpán Ježek, Violine · Jiří Pinkas, Viola · Štěpán Doležal, Violoncello
25. November
Franz Schubert: Trio in Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello (Notturno) D 897
Vier Lieder (Im Frühling, Der Einsame, Die Sterne, Der Wanderer)
Artur Schnabel: Notturno (Richard Dehmel) für tiefe Stimme und Klavier (1914)
Franz Schubert: Sonate Nr. 1 D-Dur für Violine u. Klavier D 384
Artur Schnabel: Sonate für Violine und Klavier (1935)
Lena Neudauer, Violine
Mario Blaumer, Violoncello
Frank Wörner, Gesang
Irmela Roelcke, Klavier
Stefan Litwin, Klavier
Diese Konzerte wurden gefördert von der Akademie der Künste Berlin sowie der Hochschule für Musik Saar
(119) 1. November 2015 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
Jubiläumskonzert 25 Jahre musica reanimata
+ Meister aller Stile. Der unerschöpfliche Erwin Schulhoff
Der aus Prag stammende Erwin Schulhoff machte während der Weimarer Republik durch vielgestaltige Kammermusik und jazzorientierte Werke auf sich aufmerksam, bis diese ab 1933 in Deutschland nicht mehr gespielt werden durften. 1942 starb der Komponist in einem deutschen Internierungslager. Während große Teile seines Schaffens inzwischen wiederentdeckt wurden, hat Schulhoffs reiches Liedschaffen bislang kaum Beachtung gefunden. Eine Gesamtausgabe seiner Lieder befindet sich jedoch in Vorbereitung.
Zigeunerlieder op. 12, WV 10
1. Rings ist der Wald
2. Als die alte Mutter
2. Als die alte Mutter
Fünf Lieder aus der Frühzeit
1. Ida (Hermann Hesse) op. 13,4, WV 11
2. Lass mich an deinem stillen Auge (Max Dauthendey), WV 12a, Uraufführung
3. Sommerabend (Otto Falckenberg), op. 14,2, WV 12
4. Tanzlied (Otto Julius Bierbaum) op. 19a, WV 15, Uraufführung
5. Sonnenschein! 2. Version (Hans Steiger), WV 19a, Uraufführung
2. Lass mich an deinem stillen Auge (Max Dauthendey), WV 12a, Uraufführung
3. Sommerabend (Otto Falckenberg), op. 14,2, WV 12
4. Tanzlied (Otto Julius Bierbaum) op. 19a, WV 15, Uraufführung
5. Sonnenschein! 2. Version (Hans Steiger), WV 19a, Uraufführung
Fünf Stücke für Streichquartett "à Darius Milhaud"
Vier Lieder für Bariton und Klavier op. 9 auf Texte von Hans Steiger, WV 26, Uraufführung
1. Freude hab ich geschlürft
2. Wir gehen im lauten Novemberwind
3. Tiefblau funkelnde Sommernacht
4. Das alles wieder
2. Wir gehen im lauten Novemberwind
3. Tiefblau funkelnde Sommernacht
4. Das alles wieder
Fünf Gesänge mit Klavier (Textdichter unbekannt), Werk 32, WV 52
1. Langsam wandle ich dahin
2. Lass mich, da ich glauben will
3. Ruhe der Fläche
4. Schmerz, der lastend liegt
5. Nun versank der Abend
2. Lass mich, da ich glauben will
3. Ruhe der Fläche
4. Schmerz, der lastend liegt
5. Nun versank der Abend
1. Streichquartett, WV 72
Mitwirkende: Hans Christoph Begemann, Bariton
Klaus Simon, Klavier
Kleequartett London: Naoko Senda, Violine · Emi Otogao, Violine Jun Ohta, Viola · Ruri Kuroda, Violoncello
Gottfried Eberle, Moderation
Dieses Konzert wurde gefördert von der Harald-Genzmer-Stiftung
(118) 3. Juni 2015 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ In den Untergrund vertrieben. Das Schicksal der niederländischen Komponistin Rosy Wertheim (1888-1949)
Die Pianistin und Komponistin Rosy Wertheim entstammt einer angesehenen jüdischen Familie in Amsterdam. Während ihres Kompositionsstudiums in Paris wurde ihr Salon bald Treffpunkt von Persönlichkeiten wie Ibert, Jolivet, Messiaen und Milhaud. 1937 nach Amsterdam zurückgekehrt, konnte sie mit ihren Kompositionen Erfolge feiern. Die Besetzung der Niederlande 1940 bedeutete das jähe Ende ihrer künstlerischen Laufbahn. Zwar überstand sie den Krieg unentdeckt, konnte jedoch nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen. 1949 starb sie nach kurzer schwerer Krankheit.
Unser Programm wurde ergänzt durch ein Werk des niederländischen Komponisten Leo Smit (1900-1943), der mit Wertheim seit seiner Studienzeit bekannt war. Er wurde im KZ Sobibór ermordet.
Rosy Wertheim:
Trois Morceaux für Flöte und Klavier
Zwei Lieder auf Gedichte von Anna Ritter
- "Es rauscht und rauscht..."
- "Die Insel der Vergessenheit"
Six Morceaux für Klavier - "Die Insel der Vergessenheit"
- Marche (Allegro energico)
- Etude (Leggiero)
- Jeu d'enfants (Allegretto)
- Berceuse slave (Molto cantando)
- Danse champêtre (Moderato)
- Petite valse (Moderato)
Trois Chansons nach Li Tai Po für Sopran, Flöte und Klavier - Etude (Leggiero)
- Jeu d'enfants (Allegretto)
- Berceuse slave (Molto cantando)
- Danse champêtre (Moderato)
- Petite valse (Moderato)
- La danse des dieux
- Les deux flutes
- Sur les bords du Jo-Jeh
Leo Smit: Sonate für Flöte und Klavier
- Les deux flutes
- Sur les bords du Jo-Jeh
Mitwirkende: Irene Maessen, Sopran
Eleonore Pameijer, Flöte
Andrei Banciu, Klavier
Eleonore Pameijer und Dr. Mathias Lehmann im Gespräch mit Bettina Brand.
(117) 5. März 2015 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ "Heute nacht oder nie..." Die Berliner Jahre von Mischa Spoliansky (1898-1985)
Mischa Spoliansky, im damals russischen Teil Polens geboren, zog mit seiner Familie schon früh nach Wien, um dann in Dresden seine pianistischen und kompositorischen Fähigkeiten zu vervollkommnen. Mit Beginn des Weltkriegs ging er nach Berlin. Dort finanzierte er sein Musikstudium als Kaffeehauspianist, bis Friedrich Hollaender und Werner Richard Heymann ihn 1919 für das Kabarett "Schall und Rauch" entdeckten. Vor allem die Texte von Marcellus Schiffer machten ihn zu einem viel gespielten Revue-Komponisten: Alles Schwindel, Es liegt in der Luft, Wie werde ich reich und glücklich, Zwei Krawatten ... um nur einige seiner bis heute bekannten Bühnenwerke zu nennen. 1933 ging er ins Exil nach England, wurde dort englischer Staatsbürger und kehrte niemals wieder nach Deutschland zurück.
Zeit-Rumba
Gesellschafts-Chanson
Lang, lang ist´s her
Kleine Marquise
Der blaue Matrose
Einmal möcht´ ich keine Sorgen haben
Du sowohl wie ich
Ach Eduard, ach Eduard
Ich kenne dich nicht, und du kennst mich nicht
Die Linie der Mode
Ich bin ein Vamp
Bescheiden, bescheiden
Muß man sich gleich scheiden lassen?
Es ist nie zu spät für eine schöne Stunde
Auf Wiedersehn
Heute Nacht oder nie
Ensemble Zwockhaus:
Maria Thomaschke und Andreas Joksch, Gesang
Volker Suhre, Kontrabass
Nikolai Orloff, Klavier
Olaf Taube, Vibraphon und Schlagzeug
Winfried Radeke im Gespräch mit Boris Priebe.
(116) 15. Januar 2015 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Marcel Rubin und Karl Alwin in Mexiko: Nur hier waren Exilanten willkommen
Als im März 1938 Österreich von Deutschland annektiert wurde, erhob nur ein Land Protest: Mexiko. Im folgenden Jahr bot die linksgerichtete mexikanische Regierung Sozialisten und Kommunisten aus Europa Asyl an, insbesondere den Kämpfern aus dem spanischen Bürgerkrieg. Auch einige jüdische Flüchtlinge wurden aufgenommen. 1940 gelangte Alwin über die USA, 1942 Rubin aus Frankreich kommend nach Mexico Stadt, wo beide an der Oper Kollegen wurden.
Bevor Rubin sich von Marseille aus nach Mexiko einschiffte, hatte er bereits eine Odyssee hinter sich: Am 12. März 1938, dem Tag des "Anschlusses", floh er nach Paris, wo er bei seiner Schwester leben konnte, im September 1939 wurde er aber als "feindlicher Ausländer" interniert. In einem der Gefangenenlager komponierte er 1940 drei Lieder auf Gedichte von Jura Soyfer, darunter das "Dachau-Lied", ohne zu wissen, dass bereits Herbert Zipper den Text vertont hatte. Nachdem die Bewacher beim Vorrücken der deutschen Wehrmacht das Lager aufgegeben hatten, schlug sich Rubin über Paris zu seinen Verwandten nach Marseille durch.
Karl Alwin hatte ebenfalls im März 1938 Österreich verlassen. Er starb 1945 in Mexiko. Rubin kehrte 1947 nach Wien zurück, wo er eine breitgefächerte Tätigkeit als Komponist und Kritiker und in der Verbandspolitik entfaltete.
Eingefügt in die Gesprächsteile trug Richard Schnell einige Texte und Statements von Marcel Rubin vor.
Marcel Rubin (1905-1995): Klaviersonate Nr.2 (1927, daraus 3. und 4. Satz)
Sonatine für Oboe und Klavier
Winter (1940, Text: Jura Soyfer)
Wenn der Himmel grau wird (1940, Text: Jura Soyfer)
aus: Nocturnes. Sieben Gedichte und Nachdichtungen von Josef Luitpold (1962):
Nr.1 Hier lebt ein Mensch
Nr. 3 Erlebnis
Nr. 2 Harlemer Nachtlied
Nr. 3 Erlebnis
Nr. 2 Harlemer Nachtlied
Dachau-Lied "Arbeit macht frei", Text: Jura Soyfer
Musik: 1. Strophe Herbert Zipper (1904-1997), 2.-4. Strophe Marcel Rubin
Karl Alwin (1891-1945): Drei Lieder nach Heinrich Heine (1914)
Vergiftet sind meine Lieder...
Lieb' Liebchen
Nachtstück
Mitwirkende: Holger Groschopp, Klavier
Daniel Wohlgemuth, Oboe
Jörg Gottschick, Bariton
Richard Schnell, Sprecher
Prof. Dr. Hartmut Krones im Gespräch mit Peter Sarkar
2014
(115) 4. Dezember 2014 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Puccinis Rivale: Der Opernkomponist Alberto Franchetti (1860-1942)
Alberto Franchetti begann verheißungsvoll mit dem von Verdi vermittelten Auftrag zu einer Oper für die 400-Jahr-Feier der Entdeckung Amerikas, Cristoforo Colombo (1892). Einen ähnlichen Erfolg erzielte er jedoch nur noch mit der Oper Germania von 1902, die jüngst in der Deutschen Oper Berlin aufgeführt wurde. Ansonsten blieb er im Schatten seines Zeitgenossen Puccini, komponierte bald nur noch wenig, wurde schließlich durch die Rassengesetze von 1938 in die innere Emigration gezwungen und starb vereinsamt. Es ist zu überprüfen, ob er es nicht verdient, aufgewertet zu werden. Gottfried Eberle diskutierte diese und andere Fragen mit dem Schriftsteller Helmut Krausser, der dem Komponisten eine Biographie widmete, und mit dem Musikwissenschaftler Dr. Richard Erkens, der eine gründliche Studie über Franchetti verfasst hat.
Arien und Ausschnitte aus den Opern:
CRISTOFORO COLOMBO (1892):
È la luna! (Guevara) / Dunque ho sognato? (Colombo) / Si,cosi, vicina sul tuo capo veglierò (Isabella/Colombo) / M`odi! L´estrema è questa ora della mia vita (Colombo)
GERMANIA (1902):
Studenti! Udite (Federico) Ferite, Prigionier (Worms)
GLAUCO (1922):
Un´alba serena (Scilla) / È una fanciulla della mia Sicilia (Glauco) / Splendan per te nel cielo dell´ebrezza (Circe/Glauco) / Avevi un usignuolo (Pastorello) / Morta! No! Tu non sei morta, è vero (Glauco) / No! Piange ancora! (Pastorello)
ASRAEL(1888):
Quando lo sguardo mio nel volto tuo si bea (Loretta/Asrael)
DON NAPOLEONE (1941):
Mi voglion´ tanto bene (Don Geronimo)
Mitwirkende: Kristin Ebner, Sopran
Angelo Raciti, Tenor
Jeongwhan Sim, Bariton
Scott Curry, Klavier
Gottfried Eberle im Gespräch mit Helmut Krausser und Richard Erkens.
(114) 23. Oktober 2014 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ "Der meistvergessene Komponist des 20. Jahrhunderts": Ernst Toch (1887-1964)
Ernst Toch, der vor 50 Jahren, am 1. Oktober 1964, im kalifornischen Exil starb, bezeichnete sich gegen Ende seines Lebens als den "meistvergessenen Komponisten des 20. Jahrhunderts". Dieses Zitat gab unserer Veranstaltung ihren Titel. In der Weimarer Republik war er hingegen einer der meistgespielten Komponisten gewesen, bevor er 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft aus Berlin fliehen musste. Über Paris gelangte er nach Los Angeles, wo er sich plötzlich isoliert und ohne sein Publikum wiederfand.
Burlesken für Klavier op. 31 (1923)
Streichtrio op. 63 (1936)
je einen Satz aus den Impromptus für Violine allein op. 90a, für Viola op. 90b und für Violoncello op. 90c (1963).
Mitwirkende: Vladimir Stoupel (Klavier)
Tanja Becker-Bender (Violine)
Itamar Ringel (Viola)
Mikayel Hakhnazarian (Violoncello)
Albrecht Dümling im Gespräch mit Habakuk Traber
(113) 26. Juni 2014 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ "Es ist gut, dass man überall Freunde hat." Brigitte Schiffer - Korrespondentin der Moderne
1935 zwangen die politischen Entwicklungen die aus einer jüdischen Familie stammende Brigitte Schiffer, Deutschland zu verlassen. In Berlin war sie Kompositionsschülerin von Heinz Tiessen und Doktorandin der Musikethnologie bei Curt Sachs gewesen. Nach mehr als zwanzig Jahren in Kairo ließ sie sich in London nieder und berichtete von dort über Musikereignisse, unter anderem für die Zeitschrift Melos. Langjährige Korrespondenzen verbanden sie mit Persönlichkeiten wie Hans Heinz Stuckenschmidt, Carla Henius, Wladimir Vogel oder Hermann Scherchen.
Hans Heinz Stuckenschmidt: Expression Violett für Klavier (1919/21)
Hans Heinz Stuckenschmidt: Marsch Alexanders des Großen über die Brücken Hamburgs für Klavier (1919/21)
Heinz Tiessen: Weltstadtrhythmus op. 45b für Klavier (1939)
Brigitte Schiffer: Streichquartett
Mitwirkende: Gottfried Eberle, Klavier
Klee-Quartett: Naoko Senda und Emi Otogao, Violine; Jun Ohta, Viola; Ruri Kuroda, Violoncello
Blanche Kommerell und Bernd Neunzling, Rezitation aus Briefen von und an B. Schiffer
Moderation: Prof. Dr. Dörte Schmidt und Dr. Matthias Pasdzierny
(112) 24. April 2014 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Als "enemy aliens" nach Australien deportiert: Felix Werder (1922-2012) und Walter Würzburger (1914-1995)
Beide Komponisten hatten Deutschland schon 1933 verlassen können. Werder, der Sohn von Boas Bischofswerder, ging nach London, Würzburger über Paris nach Singapur. Nach Kriegsausbruch wurden beide jedoch verhaftet und als "feindliche Ausländer" nach Australien deportiert, wo sie für mehrere Jahre hinter Stacheldraht blieben. Ausgerechnet in der Internierung entwickelten sich beide zu Komponisten. Werder wurde in Australien zu einem der prägenden Schöpfer Neuer Musik, während Walter Würzburger in England wirkte.
Boas Bischofswerder (1895-1946): Phantasia Judaica für Violine und Klavier (1940 auf der "Dunera", Auszug)
Walter Würzburger: Streichtrio Nr. 1 für 2 Violinen und Violoncello (1940/41, St. John's Island u. Lager Tatura)
Walter Würzburger: Vereinsamt (F. Nietzsche) für Gesang und Klavier (1941, Lager Tatura)
Walter Würzburger: For Anne Gregory (W. B. Yeats, 1948); The Art of Losing (Emily Jackman, 1991); Elevation (Franz Werfel, 1993)
Felix Werder: Fantasias for String Trio (1956)
Mitwirkende: Kristin Ebner, Sopran; stefanpaul, Klavier
Mitglieder des Ensemble Zeitlos:
Claudia Sack, Violine; Julia Prigge, Violine u. Bratsche; Gabriella Strümpel, Violoncello
Albrecht Dümling im Gespräch mit Manfred Manasse sowie Hannah und Irmela Würzburger.
(111) 9. Januar 2014 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Eduard Steuermann (1892-1964) - Genialer Pianist und verkannter Komponist
Der Pianist und Komponist Eduard Steuermann gehörte zu den wichtigsten Interpreten der Schönbergschule, ist aber als Komponist nur wenig bekannt. Nur ein kleiner Teil seiner Werke wurde veröffentlicht. Komponisten wie Schönberg und Eisler betrauten ihn mit der Uraufführung ihrer Werke. 1936 emigrierte er als renommierter Pianist in die USA, er starb 1964 in New York. Der Dirigent und Komponist Michael Gielen ist ein Neffe von Eduard Steuermann, die Komponistin Ursula Mamlok studierte zwei Jahre bei Steuermann.
Arnold Schönberg: Klavierstücke op. 11
Eduard Steuermann: Klaviersonate (1926)
Hanns Eisler: 3. Sonate für Klavier (1. und 3. Satz)
Michael Gielen: Auszüge aus dem Klavierstück in 7 Sätzen: recycling der glocken
Mitwirkende: Stefan Litwin, Klavier
Gesprächsgäste: Michael Gielen, Ursula Mamlok und Stefan Litwin
Moderation: Bettina Brand
2013
(110) 20. November 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Abgeschoben: Leo Kestenberg (1882-1962) in Prag und Tel Aviv
Wie nur wenige Einzelpersonen hat Leo Kestenberg das Musikleben der Weimarer Republik geprägt. Aus politischen Gründen wurde der preußische Musikreferent 1932 entlassen und ein Jahr später als "Kulturbolschewist" aus Deutschland vertrieben. In Prag und Tel Aviv bemühte sich der bedeutende Musikpädagoge und Kulturpolitiker weiter um eine Verwirklichung seiner Visionen. Dort entstandene Schriften, ausgewählt und kommentiert von Prof. Dr. Ulrich Mahlert (UdK Berlin), wurden ergänzt durch Musik von Kestenberg nahestehenden Komponisten:
Ferruccio Busoni: Erscheinung aus Elegien (1908); Sonatina seconda (1912)
Franz Schreker: Kammersymphonie (1916), 1. Teil (für Klavier bearb. v. Ignaz Strasfogel)
Heinz Tiessen: Duo-Sonate für Violine und Klavier op. 35 (1925)
Mitwirkende: Antonis Anissegos (Klavier)
Judith Ingolfsson (Violine) und Vladimir Stoupel (Klavier)
Prof. Dr. Ulrich Mahlert im Gespräch mit Dr. Albrecht Dümling
(109) 10. Oktober 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Flucht nach Schweden im Fischerboot: Werner Wolf Glaser
Der Komponist Werner Wolf Glaser verließ Deutschland schon im April 1933. Ein Jahr lebte er in Frankreich, dann halfen ihm Freunde zur Emigration nach Dänemark, wo er 1943 eingebürgert wurde. Im Zuge der Rettungsaktion für die dänischen Juden gelangte er mit seiner Frau und drei Kindern nach Schweden. Dort war er als Direktor der Musikschule in Västerås, Komponist und Musiktherapeut vielseitig aktiv. Glasers Schaffen reicht von 6 Opern und 13 Sinfonien zu Solowerken, unter denen die 1933 entstandene 1. Klaviersonate einen besonderen Rang einnimmt. Für seinen Freund Sigurd Rascher komponierte er diverse Saxophon-Werke.
1. Satz der Klaviersonate Nr. 1 (1933)
Sonate für Saxophon solo (1936)
Sonate für Violine solo (1971)
Ricordo IV für Violine solo (1991)
Mitwirkende: Kolja Lessing, Violine und Klavier
Frank Lunte, Saxophon
Jo Svend Glaser, ein Sohn des Komponisten, und Kolja Lessing im Gespräch mit Peter Sarkar
(108) 16. Mai 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Die Novembergruppe: Eine dadaistisch-futuristische Provokation
Die Komponisten der Novembergruppe gehörten zu den kühnsten und talentiertesten in der Neuen Musik der 20er Jahre. Hier ging es um ein menschliches und politisches Bekenntnis zur sozialen Revolution nach dem Ersten Weltkrieg. Der Pianist Matt Rubenstein hat diesen vom NS-Staat verfolgten Kreis Berliner Tonkünstler wiederentdeckt.
Max Butting: "Berlin im Licht"-Blues op. 36 (1928)
Heinz Tiessen: Nr. 1, 2, 4 und 6 aus: Sechs Klavierstücke, op. 37 (1926-28)
Eduard Erdmann: Nr. 4 und 5 aus: Fünf Kleine Klavierstücke, op. 6 (1915-1918)
Wladimir Vogel: Nr. 1 und 3 aus: Dai tempi più remoti (1921)
Philipp Jarnach: Sarabande, op. 17,2 (1924)
H.H. Stuckenschmidt: Der Champagner Cobler und die Grüne Sonne (1921)
Stefan Wolpe: aus Sechs Märsche, op. 10 (1928-34): Marsch Nr.1, Gesang, weil ich etwas Teures verlassen muss, Marsch Nr. 3
Mitwirkende: Matt Rubenstein, Klavier
Prof. Dr. Nils Grosch im Gespräch mit Bettina Brand.
(107) 18. April 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Exil in Japan: Überlebenschancen in Fernost
Das japanische Kaiserreich war ein enger Bündnispartner des Dritten Reichs, ohne allerdings dessen Rassenpolitik zu übernehmen. So kam es, dass die in Deutschland als Juden verfolgten Musiker Manfred Gurlitt, Joseph Rosenstock, Klaus Pringsheim und Leonid Kreutzer in Japan Zuflucht fanden und zusammen mit dem einige Jahre früher eingereisten Josef Laska das dortige Musikleben wesentlich prägten.
Joseph Laska (1886-1964): Bilder aus Japan (1934). 10 Klavierstücke, Leonid Kreutzer in größter Verehrung zugeeignet. daraus Nr. 4, 6, 7, 8
Klaus Pringsheim (1883-1972): Variationen über "Kono Michi" für Violoncello und Klavier; Siamese Melodies op. 37, Suite für Violine und Klavier (1938), daraus Nr. 1, 2, 5
Joseph Rosenstock (1895-1985): Klaviersonate op. 3 (1918), 1. Satz Mosso appassionato
Manfred Gurlitt (1890-1972): Klavierquintett op. 7 c-Moll (1911), 2. Satz: Langsam
Mitwirkende: Wolfgang Bender und Gisela Bender, Violinen
Christiane Buchenau, Viola
Maria Magdalena Wiesmaier, Violoncello
Antonis Anissegos, Klavier
Irene Suchy im Gespräch mit Peter Sarkar
(106) 28. Februar 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Fallstudien: Die Musikerfamilie Moritz, Siegfried, Leo und Richard Fall
Der Abend drehte sich um den Militärmusiker Moritz Fall (1848-1922) und seine drei Söhne: Siegfried (1871-1943) studierte u.a. bei Max Bruch, komponierte Opern und Lieder, finanzierte aber seinen Lebensunterhalt, indem er seinem Bruder, dem erfolgreicheren Operettenkomponisten Leo (1873-1925) die Klavierauszüge herstellte. Richard (1882- 1945) war ein Schlagerkomponist, der mit dem Texter Fritz Löhner-Beda zusammenarbeitete. Siegfried starb in Theresienstadt, Richard in Auschwitz.
Siegfried Fall: Drei Lieder für Bariton und Klavier op. 10
Leo Fall: Lieder aus den Operetten "Der süße Kavalier" und "Die Straßensängerin" / Die drei Mieter der Frau Schlüter / Die Ballade von der Knopfsammlung im Louvre von Paris
Richard Fall: (Sechs) Lieder nach Texten von Löhner-Beda
Moritz Fall: Schnellpolka Wirrwarr! / Das Couplet "Wehe! Wehe!"
Ensemble Zwockhaus: Maria Thomaschke, Gesang / Andreas Jocksch, Gesang
Nikolai Orloff, Klavier / Timofej Sattarov, Bajan / Volker Suhre, Kontrabass
Gesprächsgast: Stefan Frey (München)
Moderation: Winfried Radeke
(105) 24. Januar 2013 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Deutschland von außen gesehen: Paul Dessau im Exil
Paul Dessau, den ein Musikerkollege denunzierte, floh schon 1933 aus Deutschland. In Frankreich, seiner ersten Exilstation, bekannte er sich noch entschiedener zum Judentum, zum Sozialismus und zur musikalischen Avantgarde, was sich auch in seinen Werken niederschlug. Der massenwirksamen "Thälmannkolonne" stand das komplexe Klavierstück "Guernica" gegenüber. Bertolt Brecht und Arnold Schönberg waren die beiden Künstlerpersönlichkeiten, an denen sich Dessau orientierte und mit denen er schließlich in Los Angeles zusammenarbeitete. Sie schärften auch sein Deutschland-Bild.
Two Songs for Bass and Piano nach Langston Hughes (1934)
Guernica für Klavier (1938)
Jewish Dance für Violine und Klavier (1940)
Drei Violinstücke mit Klavier (1941/42)
"Deutschland" und "Das deutsche Miserere" (Brecht, 1943) für Gesang und Klavier
Elf jüdische Volkstänze für Klavier (1946)
Mitwirkende: Holger Groschopp, Klavier
Max Simon, Violine
Johannes Schwärsky, Baßbariton
Maxim Dessau, der Sohn des Komponisten, im Gespräch mit Albrecht Dümling
2012
(104) 18. Oktober 2012 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Verschollen und fast vergessen: Der Komponist Norbert v. Hannenheim
Im September 1945, kurz nach Kriegsende, ist Hannenheim in der Euthanasieklinik Obrawalde in Ostbrandenburg an Herzversagen gestorben. Er hatte es von Kind auf nicht leicht, bildete sich gleichwohl zum profilierten Komponisten heran und schuf mehr als 200 Werke, die in den dreißiger Jahren durchaus Erfolg hatten und Preise errangen. Doch als Berliner Schüler von Arnold Schönberg war er den Nazis nicht genehm und geriet in bittere Geldnot. Das mag zu seiner geistigen Verdüsterung und 1944 zur Einlieferung in diese Anstalt beigetragen haben.
Suite für Viola und Klavier
Klaviersonaten Nr. 6 und Nr. 3
4 Lieder nach verschiedenen Dichtern:
- Die Türen (Ernst Lissauer)
- Glück (Ernst Collin Schonfeld)
- Mohn, roter Mohn (Jenny Boese)
- Zeitgeist (Friedrich Hölderlin)
- Venedig
- Todeserfahrung
- Vorgefühl
- Liebes-Lied
Mitwirkende: Moritz Ernst, Klavier
Irena Troupová, Sopran
Jean-Claude Velin, Viola
Gottfried Eberle im Gespräch mit Albert Breier
(103) 28. Juni 2012 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Will Eisenmann: Bekennender Pazifist und Antifaschist
Will Eisenmann (1906-1992) hat den Nationalsozialismus zutiefst verachtet. Nachdem er 1932 am Antikriegskongress in Amsterdam teilgenommen hatte, kehrte er nicht mehr nach Deutschland zurück. Mit einem Stipendium, das ihm Romain Rolland verschaffte, studierte er in Paris Komposition bei Paul Dukas und Charles Koechlin. Sein weiteres Leben verbrachte der Komponist zumeist in der Schweiz, wo Hermann Scherchen und Hermann Hesse ihn förderten.
Duo concertante für Altsaxophon und Klavier, op. 33
Aus "Rubaiyat" für mittlere Stimme und Klavier: Zyklus I, op. 35 (1939-42), und II, op. 35b (1942/43), nach Versen ("Sprüche der Weisheit") von Omar Khayyam
Suite der Gegensätze für Klavier, op. 51 (1949/51)
Ballade I, op. 53 (1952) und Ballade II, op. 74 (1964) für Flöte und Klavier
Aus "Haiku" für mittlere Stimme und Klavier: Zyklus I, op. 64 (1960)
Capriccio für Tenorsaxophon und Klavier, op. 92 (1977)
Nevermore für Altsaxophon und Klavier, op. 28 (1940)
Mitwirkende: Detlef Bensmann, Saxophon und Yoriko Ikeya, Klavier
Olivier Eisenmann, Klavier
Kristina Naudé, Mezzosopran
Verena Steffen, Flöte
Hanna Eisenmann und Olivier Eisenmann im Gespräch mit Albrecht Dümling
(102) 24. Mai 2012 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Aldo Finzi: Ein Meister musikalischer Verfeinerung
Schon die Werke des gerade 24jährigen Mailänders Aldo Finzi (1897-1945) erschienen bei angesehenen italienischen Musikverlagen. 1938 wurde bei einem Kompositionswettbewerb der Mailänder Scala die von ihm eingereichte Oper ausgewählt. Dennoch konnte seine Musik im faschistischen Italien damals nicht mehr gespielt werden, denn Finzi war Jude.
Fünf Lieder:
Rondini (1920)
La voix de Sélisette (1920)
C´era una volta (1919)
Barque d´or (1921)
Serenata (1922)
Vier Klavierstücke:
Valzer lento Nr. 1 und 2 (1920)
Tempo di marcia (1938-1939)
Tempo di Fox-trot (1930-1937)
Sonata per violino e pianoforte (1919)
Mitwirkende: Dörthe-Maria Sandmann, Sopran
Susanne Zapf, Violine
Holger Groschopp, Klavier
Gottfried Wagner im Gespräch mit Gottfried Eberle
8. Mai 2012: Benefizkonzert zugunsten der Restaurierung der Orgel in der Kirche von Terezín
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin
+ Veranstaltet von musica reanimata in Kooperation mit der Hans-Krása-Stiftung Terezín
Werke u.a. von Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, Johannes Brahms, Ilse Weber, Viktor Ullmann, Hans Krása, Gideon Klein, Franz Schreker Jaroslav Krček und K. Penderecki
Mitwirkende:
- Simon Roturier (Violine), Barbara Buntrock (Viola), Jakob Spahn (Violoncello)
- Ensemble Zwockhaus, Ltg. Winfried Radeke
- Frauenchor Cantica Bohemica aus Litoměřice/Leitmeritz, Leitung: Dr. Vladimír Frühauf
- Martin Maxmilian Kaiser, Orgel, und Edita Adlerová, Mezzosopran
- Berliner Cappella, Leitung: Kerstin Behnke
Schirmherr: Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages
[Flyer zum Konzert]
(101) 29. März 2012 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Joseph Horovitz: Flucht auf die rettende Insel
1938 floh der damals 12jährige Joseph Horovitz mit seiner Familie von Wien nach England. Er studierte in Oxford, London und Paris und wurde 1961 selbst Professor für Komposition am Royal College of Music. Sein Streichquartett Nr. 5, das an diesem Abend erklang, schuf Horovitz 1968/1969 in Erinnerung an Künstler und Intellektuelle, die dreißig Jahre zuvor in England Zuflucht gesucht hatten. Im Gespräch stellte der Komponist dieses und andere Werke in einen historisch-biografischen Kontext.
Sonatina für Klarinette und Klavier (1981)
Adagio aus dem Violin Concerto (1951), Fassung für Violine und Klavier
String Quartet No. 5 (1969)
Mitwirkende: Ensemble Zeitlos: Claudia Sack, Philip Douvier, Friedemann Wollheim & Gabriella Strümpel
Tatjana Blome, Klavier/ Matthias Höfele, Klarinette
Joseph Horovitz im Gespräch mit Albrecht Dümling
(100) 15. Februar 2012 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ in memoriam Georg Kreisler: Komponist, Emigrant
Mit seinen Liedern ist Georg Kreisler seit mehr als 50 Jahren unangefochtener Meister des politischen Kabaretts. Weniger bekannt ist, dass der Lyriker und bissige Satiriker Musicals, Prosa und auch zwei erfolgreiche Opern verfasst hat, er 1938 mit seiner Familie aus Wien nach Los Angeles geflohen ist und später als amerikanischer Soldat an der Vorbereitung des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses beteiligt war. Gänzlich unbekannt blieb es, dass er um 1950 in New York Kammermusik komponierte.
Georg Kreisler, der im Alter von 89 Jahren am 22. November 2011 verstarb, sollte bei dem ursprünglich für den 29. Oktober 2011 geplanten Konzert mitwirken, was ihm sein Gesundheitszustand jedoch nicht mehr erlaubte. Dieses Gesprächskonzert wurde folglich dem Gedächtnis dieses großen Künstlers gewidmet.
5 Bagatelles (1953)
Sonata for Piano (1952)
3 Klavierstücke (ca. 1947)
Mitwirkende: Sherri Jones, Klavier
Gesprächsgäste: Barbara Kreisler-Peters, die Witwe des Komponisten, der Biograph Hans-Juergen Fink und der Musikproduzent Jürgen Keiser
Moderation: Albrecht Dümling und Albrecht Riethmüller
2011
(99) 15. September 2011 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Werner Richard Heymann: "Das gibt's nur einmal ..."
Werner Richard Heymann (1896-1961), den wohl erfolgreichsten Filmkomponisten der Weimarer Republik, kennt jeder, oder besser, seine Evergreens wie Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder. Doch bevor Heymann für die Comedian Harmonists und zahllose Filmgrößen Songs verfasste, hatte er schon eine imposante Karriere als Kabarett-Komponist hinter sich. Diese heute weniger bekannten Lieder bildeten den Schwerpunkt des Gesprächskonzerts.
Das Leibregiment (1922) Text: Kurt Tucholsky
Der Umzug (1921/23) Text: Leo Heller
Kellerleute (1921/23) Text: Leo Heller
An den Kanälen (1921/23) Text: Walter Mehring
Die Knöpfelschuhe (1921/23) Text: Leo Heller 1921/23)
Der Glockenturm (1922) Text: Klabund
Die älteren Jahrgänge (1952) Text: Robert Gilbert (aus der Komödie "Professor Unrat")
Mit´m Zopp (1921/23) Text: Klabund
O hätt´ ich doch mein Kind verkauft (1952) Text: Robert Gilbert (aus der Komödie "Professor Unrat")
Die große Sensation (1921/23) Text: Walter Mehring
Die Kälte (1921/23) Text: Walter Mehring
Schattenfox (Dur-moll-Fox) (1922) Text: Hans Brennert
Heut´ gefall´ ich mir (1952) Text: Robert Gilbert (aus dem Film "Alraune")
Ach Maxe (1925) Text: Armin Robinson
Des Huhnes Morgengesang (1921/23) Text: Walter Mehring
Die Arie der großen Hure Presse (1921/23) Text: Walter Mehring
Irgendwo auf der Welt (1932) Text: Robert Gilbert und Werner Richard Heymann (aus dem Film "Ein blonder Traum")
Mitwirkende: Ensemble Zwockhaus: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch (Sänger und Darsteller)
Olaf Taube (Vibraphon/Schlagzeug), Volker Suhre (Kontrabass), Nikolai Orloff (Klavier)
Leitung, Moderation und Arrangements: Winfried Radeke
Gesprächsgast: Elisabeth Trautwein-Heymann, die Tochter des Komponisten.
(98) 26. Mai 2011 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Mehr als das "Concerto Popolare": Franz Reizenstein zum 100. Geburtstag
Viele Musikfreunde kennen sein "Concerto Popolare", in dem er 1956 in Gerard Hoffnungs Music Festival Tschaikowsky gegen Grieg antreten ließ. Nur wenig weiß man jedoch über den Urheber dieser brillanten Klavierkonzert- Parodie. Der Komponist und Pianist Franz Reizenstein hatte als Jude 1934 aus Berlin fliehen müssen, wo Paul Hindemith und Leonid Kreutzer seine Lehrer gewesen waren. In England wurde er während des Krieges als "feindlicher Ausländer" interniert. Später erhielt er die britische Staatsbürgerschaft und eine Professorenstelle am Royal College of Music in London. Sein reiches musikalisches Schaffen blieb jedoch trotz des hohen Niveaus unterbelichtet.
3 Concert Pieces für Oboe und Klavier op. 10 (1937)
Sonatine für Oboe und Klavier op. 11 (1937)
Präludium in H-Dur, aus: Preludes and Fugues op. 32 (1955)
Sonate für Violine solo op. 46 (1968)
Mitwirkende: David Wilde, Klavier
Ingo Goritzki, Oboe
Kolja Lessing, Violine und Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit John Reizenstein, dem Sohn des Komponisten, seinem Schüler David Wilde sowie Kolja Lessing.
(97) 24. Februar 2011 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Exil als Quelle der Kunst: Die Komponistin Ruth Schönthal
In Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren, wurde Ruth Schönthal im Alter von fünf Jahren die jüngste Schülerin des Stern'schen Konservatoriums. Dieses musste sie 1935 unter der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verlassen und nahm Privatunterricht u. a. bei dem Liedkomponisten Walter Hirschberg. 1938 floh die Familie zunächst nach Stockholm und 1941 nach Mexiko-Stadt, wo sie ihr Studium fortsetzte und als Pianistin und Komponistin beachtliche Erfolge feierte. 1946 lernte sie Paul Hindemith kennen, bei dem sie bis 1948 an der Yale University studierte. Die Einzigartigkeit ihrer Kompositionen besteht in der Verschmelzung von Stilmitteln der europäischen Musiktradition, der mexikanischen Volksmusik, der Aleatorik und der Minimal Music.
Reverberations - Nachklänge (1967-1974)
Sonata in Two Movements for Cello and Piano (1989)
Auszüge aus: Sonatina(1939)
Variations in Search of a Theme (1976)
The Canticles of Hieronymus (1986)
Mitwirkende: Adina Mornell, Klavier
Johanna Kotschy, Violoncello
Bettina Brand im Gespräch mit Adina Mornell
Konzertreihe und Ausstellung
+ in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Der Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat in Partnerschaft mit musica reanimata eine Konzertreihe im Ausstellungspavillon neben dem Holocaust-Denkmal der ermordeten Juden Europas in Berlin-Mitte veranstaltet (Cora-Berliner-Straße 2/ Ecke Hannah-Arendt-Straße, 10117 Berlin).
Dort wurde auch von Februar bis Dezember 2011 die Ausstellung "Von den Nazis verfemte Komponisten: verdrängt, vertrieben, ermordet" gezeigt, in der neben einer Übersicht über Hintergründe der Verfolgung die Schicksale von 20 Komponisten und Komponistinnen dargestellt waren, teilweise mit Hörbeispielen.
[www.holocaust-denkmal-berlin.de]
Konzerte und Vorträge:
Montag, 14.2.2011
Zum 50. Todestag von Werner Richard Heymann mit Elisabeth Trautwein-Heymann im Gespräch mit Lea Rosh über ihren Vater.
Sonntag, 13.3.2011
Lieder von Viktor Ullmann - Arnold Schönberg - Max Brod
Sonntag, 3.4.2011
Berlin - New York - Berlin / Komponistin-Portrait Ursula Mamlok(Konzert und Gespräch mit der Komponistin)
Freitag, 15.4.2011
Das verdächtige Saxophon
Freitag, 17.6.2011
Komponisten-Portrait Samuel Adler (Konzert und Gespräch mit dem Komponisten)
Sonntag, 3.7.2011
Lieder von Max Brod
Freitag 22.7.2011
Dr. Gottfried Eberle: "Der Vielsprachige". Erwin Schulhoff und seine Klaviermusik. (Vortrag mit Musikbeispielen)
Freitag 26.8.2011
Dr. Albrecht Dümling: "Die verschwundenen Musiker". Jüdische Flüchtlinge in Australien (Vortrag mit Musikbeispielen und Buchpräsentation)
[www.boehlau-verlag.com/978-3-412-20666-6.html]
Dienstag, 13.9.2011
George Dreyfus: "Der Kreisel" für Violine solo (Uraufführung), außerdem Werke von Hindemith, Laks und Tansman
Freitag, 30.9.2011
Saitensprünge im Doppel: Duos für Viola und Violoncello von Borris, Raphael, Schul, Castelnuovo-Tedesco und Avni.
Samstag, 15.10.2011
"Sonette des Satans": Kammermusik und Lieder von Wolfgang Jacobi, Viktor Ullmann u.a.
Samstag, 5.11.2011
Kammermusik von Gideon Klein, Erwin Schulhoff, Ruth Schonthal, Mario Castelnuovo-Tedesco, Ernst Toch und Bohuslav Martinu
2010
(96) 16. Dezember 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Treue zu Wien: Der Komponist und Musikforscher Egon Wellesz
Egon Wellesz blieb stets tief verwurzelt in der Wiener Tradition, der er entstammte. 1905 war er Schüler Arnold Schönbergs geworden, dem er 1921 die erste Monographie widmete. Nachdem er zunächst insbesondere das Lied sowie die Klavier- und Kammermusik gepflegt hatte, wandte er sich dem Bühnenschaffen zu, das seinen Höhepunkt in der Oper "Die Bacchantinnen" (1929/30) fand. Um die Oper kümmerte er sich auch als Musikologe. Nach dem "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich im März 1938 kehrte Wellesz von einer Reise in die Niederlande nicht mehr in die Heimat zurück. Er emigrierte nach England, wo er bis zu seinem Tod lebte. Als Bühnenkomponist verstummte er. Aber er schuf neun Symphonien und Kammermusik.
Drei Skizzen für Klavier, op. 6 (1911)
Kirschblütenlieder, op. 8 (1912)
Zwei Stücke aus: Sechs Klavierstücke, op. 26 (1917-18)
Lieder aus Wien (H.C. Artmann), op. 82 (1959)
Studien in Grau für Klavier, op. 106 (1969)
Mitwirkende: Margarete Babinsky, Klavier
Martin Vacha, Bariton
Nora Lentner, Sopran
Axel Bauni, Klavier (Liedbegleitung)
Albrecht Dümling im Gespräch mit Dr. Bojan Bujic (Oxford)
(95) 28. September 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Zwischen Traum und Elend: Exil Los Angeles
Gesprächskonzert mit Walter Arlen, Los Angeles, Werke von Arlen und Castelnuovo-Tedesco
Los Angeles und die Traumfabrik von Hollywood waren Zufluchtsort für viele Künstler, die vor Hitler geflohen waren. Auch der aus einer jüdischen Familie stammende Mario Castelnuovo-Tedesco kam 1939 aus dem faschistischen Italien hierher, wo er Musik für mehr als 250 Spielfilme, aber auch für den Konzertsaal schrieb. Daneben war er bis zu seinem Tod auch als Kompositionslehrer tätig. Der 1920 in Wien geborene Walter Arlen, der ebenfalls 1939 in die USA floh, war mit Castelnuovo-Tedesco befreundet.
Walter Arlen: "Arbeit macht frei" (1995) für Klavier
Monotypes (1986-88) für Klavier
Sonett für Violine und Klavier
Mario Castelnuovo-Tedesco: 3. Satz aus Quartetto in Sol (1929)
Ein Quartett-Satz on the name of Walter Arlen op. 170/28 (1960).
Mitwirkende: Gráinne Dunne, Klavier
Ensemble Zeitlos: Claudia Sack und Susanne Walter (Violinen), Chang-Yun Yoo (Viola), Gabriella Strümpel (Cello)
Albrecht Dümling im Gespräch mit Walter Arlen
26. September 2010
Jubiläums-Sonderkonzert "Kammermusik aus Theresienstadt"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt +
Programm: Gideon Klein: Klaviersonate, Streichtrio
Hans Krása: Lieder op.4, Passacaglia und Fuge für Streichtrio
Viktor Ullmann: Hölderlin-Lieder, Klaviersonate Nr. 6
Siegmund Schul: Chassidische Tänze
Pavel Haas: Vier Lieder nach chinesischer Poesie
Karel Reiner: Klaviertrio
Mitwirkende: Holger Groschopp, Klavier
Katharina Göres, Sopran
Jonathan de la Paz Zaens, Bariton
Gottfried Eberle, Liedbegleitung
Trio Quodlibet (Rainer Johannes Kimstedt, Violine; Regine Pfleiderer, Viola; Katharina Maechler, Violoncello)
(94) 23. September 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Theresienstadt, die schönste Stadt der Welt - Chansons und Satiren
Für ein Gesprächskonzert von musica reanimata war 2006 das Programm "Und die Musik spielt dazu - Kabarett in Theresienstadt" entstanden. Das "Ensemble" Maria Thomaschke und Andreas Jocksch (Sänger und Darsteller) sowie Winfried Radeke (Arrangements, Begleitung) haben es in etlichen Aufführungen über drei Jahre lang an verschiedensten Orten gespielt (u.a. Philharmonie Berlin, Magdeburger Kaserne in Theresienstadt). Nun stellen sie ein neues Programm vor, das bislang weniger oder gar nicht bekannte Lieder und Texte (von Leo Strauss, Felix Porges, Walter Lindenbaum u.a.) bringt, die erst in jüngster Zeit wieder aufgetaucht sind, darunter Titel wie "Kasernenlied", "Die gelben Fleckerln" oder "Bad Blockhaus". Ergänzt werden sie durch zwei kleine Szenen, die verschiedene bizarre Situationen im Ghetto beschreiben.
Mitwirkende: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch (Sänger und Darsteller)
Manfred Schmidt, Klavier
Timofej Sattarov, Bajan
Martin Genschow, Kontrabass
Leitung, Moderation und Arrangements: Winfried Radeke
Gesprächsgast: Helga Kinsky, Wien, Zeitzeugin aus Theresienstadt ("Zimmer 28")
(93) 17. Juni 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Letzte Zuflucht Shanghai. Die Komponisten Wolfgang Fraenkel und Julius Schloß im Exil
Nach dem Novemberpogrom 1938 suchten viele der noch in Deutschland und Österreich verbliebenen Juden verzweifelt nach einem Exilland, das sie aufnehmen würde. Überall galten restriktive Einreisebestimmungen, nur die Stadt Shanghai verlangte kein Visum. Wolfgang Fraenkel wurde u.a. Dozent am Konservatorium, während sich Julius Schloß mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen musste. 1947 aber wurde er Fraenkels Nachfolger, als dieser in die USA emigrierte. Dabei übernahm er Sang Tong als Kompositionsschüler. Ein Jahr später ging auch Schloß in die USA. Gemeinsam ist ihnen auch die Nähe zur Schönberg-Schule. Schloß war Schüler von Alban Berg, Fraenkel orientierte sich ab den 1930er Jahren an Schönberg, den er später in Kalifornien kennenlernte.
J. Schloß: Streichquartett in einem langsamen Satz (1928, Alban Berg gewidmet); Auswahl aus "23 Studies for Piano in twelve tone style" für Kinder (1958)
W. Fraenkel: 1. Satz aus "Music for String Quartet" (A. Schönberg zum 75. Geburtstag gewidmet); 3 zweistimmige Praeludien für Klavier (1945 in Shanghai komponiert)
Sang Tong (studierte bei Fraenkel und Schloß): "In a remote place" für Klavier (1947)
Mitwirkende: Gottfried Eberle, Klavier
Ensemble Zeitlos: Claudia Sack und Susanne Walter (Violinen), Chang-Yun Yoo (Viola), Gabriella Strümpel (Cello)
Moderation: Dr. Ursula Krechel
Gesprächsgäste: Sonja Mühlberger und Christian Utz.
(92) 20. Mai 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Unterstellungen und Ressentiments. Heinrich Kaminski und das NS-Regime
Kaminski hatte es in den zwanziger Jahren zu einigem Ansehen gebracht. Doch die Unterstellung "nichtarischer" Herkunft durch die Nazis verhinderte, dass er 1938 Nachfolger von Hindemith an der Hochschule für Musik in Berlin wurde. 1933 bereits hatte er eine Professur an der Preußischen Akademie der Künste verloren. Am bekanntesten wurde er mit seiner geistlichen Musik. Er selbst aber legte auch großen Wert auf seine Kammermusik.
Präludium und Fuge für Klavier aus: Klavierbuch III (1934/35)
Quartett a-Moll (1912) für Klavier, Klarinette, Viola und Violoncello
daraus: II. Ruthenisches Volkslied / III. Scherzo / IV. Finale
Musik für Violoncello und Klavier (1938)
daraus: I. Fantasia / II. Tanz
Mitwirkende: Maria Wiesmaier, Violoncello
Wolfgang Bender, Violine
Christian Vogel, Klarinette
Antonis Anissegos, Klavier
Dr. Manfred Peters im Gespräch mit Bettina Brand.
(91) 18. Februar 2010 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Trotz aller Erfolge aus dem Amt gejagt. Der Komponist und Hochschuldirektor Hans Gál
Mit Empfehlungen von Wilhelm Furtwängler, Karl Straube und Leo Kestenberg war er 1929 zum Direktor der Mainzer Musikhochschule berufen worden, die er trotz notwendiger Sparmaßnahmen ausbauen konnte. Hans Gál war weder Sozialdemokrat noch Neutöner. Er hatte nur einen Makel: seine "nichtarische" Herkunft, wegen der er 1933 sein Direktorenamt verlor. Seine Tochter Eva Fox-Gál wird über seine Flucht über Wien nach England und die erfolgreiche Lehrtätigkeit in Edinburgh berichten. Als Komponist aber erreichte Gál hier nicht mehr eine solche Resonanz wie zuvor in Deutschland, wenngleich er - wie die an diesem Abend gespielten Werke zeigen - den an Brahms anknüpfenden Weg konsequent weiterging.
1. und 3. Satz aus der Sonate für Violine und Klavier b-Moll op. 17 (1920)
1. Satz aus der Sonate für Violine und Klavier D-Dur (1933)
Aus den 24 Präludien für Klavier op. 83 (1960): Nr. 3, 4, 7, 15, 16, 23, 24
Interpreten: David Frühwirth, Violine
Gottlieb Wallisch, Klavier
Eva Fox-Gál (England), die Tochter des Komponisten, im Gespräch mit Albrecht Dümling.
2009
(90) 10. Dezember 2009 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Raum und Reihe. Wladimir Vogel und seine Klaviermusik
Aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit war der in Moskau aufgewachsene Wladimir Vogel schon im Ersten Weltkrieg im Ural interniert. In Berlin studierte er Komposition bei Heinz Tiessen und Ferruccio Busoni und machte sich in Avantgarde-Kreisen bald einen Namen. Wegen seiner russisch-jüdischen Mutter und seines Engagements für deutsch-sowjetischen Kulturaustausch und die Arbeitermusikbewegung sah er sich im Mai 1933 zur Flucht gezwungen und fand endlich ein Domizil in der Schweiz, wo er bis ins hohe Alter musikalisch produktiv war. In seiner Klaviermusik geht er den Weg von der Skrjabin-Nachfolge zu sehr individueller, klangbetonter Zwölftonkomposition.
Nature vivante (1917-1921)
Trepak (1919)
Miniaturen aus dem Exil:
Ein wenig klagend (1933)Musette (1936)
Passac’aglina (1938)
In modo cantico (1941)
Glocken:
Ad usum nativitatis (1947)Russische Glocken (1978)
Intervalle (1980)
Epitaffio per Alban Berg (1936)
Interpret: Kolja Lessing, Klavier
Habakuk Traber im Gespräch mit Kolja Lessing.
(89) 15. Oktober 2009 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Als Zigeuner verfolgt. Oskar Siebert, Geiger und Jazzgitarrist aus dem Wedding
Der Vater entstammte einer Roma-Familie und hatte eine eigene Geigenbauwerkstatt, in die die Nazis geraubte Instrumente brachten. Die Mutter war eine russische Jüdin. Oskar wollte Berufsgeiger werden, doch die Nationalsozialisten verhafteten ihn als "Zigeuner" und verschleppten ihn nach Mauthausen und verschiedene Lager bis nach Frankreich. Seine Musik rettete ihm das Leben - er hatte für die Wachmannschaften aufzuspielen.
Nach seiner Befreiung ging Oskar Siebert als Jazz-Gitarrist in die USA. Nach Deutschland zurückgekehrt betätigte er sich als Musiker und Arrangeur in verschiedenen Bands, u.a. auch am RIAS Berlin.
4. Satz aus dem Streichquartett (1963/1983)
Präludien für Gitarre
Musik zur Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen für Streichquintett, 2007 (UA)
Interpreten: Accordo Streichquartett
(Nicola Borsche und Tassilo Kaiser, Violinen; Sabrina Briscik, Viola; Regine Zimmermann, Violoncello)
Martin Genschow, Kontrabass
Jacek Ansgar Rabinski, Gitarre
Winfried Radeke im Gespräch mit Mathias Ulbricht und Tassilo Kaiser
8.-10. Oktober 2009
Akademie der Künste am Hanseatenweg
+ Auf der Suche nach einer jüdischen Musik: Komponisten des Jüdischen Kulturbunds Berlin
3 Konzerte, Film und Podiumsdiskussion
In Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Berlin
Donnerstag, 8. Oktober, 20 Uhr: Konzert I
Jakob Schönberg (1900-1956)
Zwei jiddische Lieder für Sopran und Klavier
Chassidische Suite für Klavier
2 hebräische Lieder für Sopran, Violine und Bratsche
6 hebräische Lieder für Stimme und Klavier
Quartett für Violine, Bratsche, Violoncello und Klavier
Freitag, 9. Oktober, 17 Uhr: Film
"Es waren wirklich Sternstunden. Der Jüdische Kulturbund 1933-1941"
Ein Film von Henryk M. Broder und Eike Geisel (BR u. SFB 1988).
Freitag, 9. Oktober, 20 Uhr: Konzert II
Arno Nadel (1878-1943)
Sabbat-Suite für Streichtrio (mit Sopran)
„Der Alef-Bejs“. Studie über das Volkslied von Warschawski für Sopran und Streichtrio
Bearbeitungen jüdischer Volkslieder für Gesang und Klavier
Karl Wiener (1891-1942)
Lieder aus Des Knaben Wunderhorn für Stimme und Klavier
Zwei Klavierstücke für die linke Hand op. 9
- Intermezzo
- Impromptu
Drei Lieder op. 37 auf Texte von Arno Nadel
Samstag, 10. Oktober, 16 Uhr: Podiumsdiskussion
Teilnehmer: Wolfgang Trautwein, Volker Kühn, Jascha Nemtsov, Albrecht Dümling,
Thomas Lackmann (Diskussionsleitung)
Samstag, 10. Oktober, 20 Uhr: Konzert III
Oskar Guttmann (1885-1943)
Hafis, 13 Lieder für Sopran und Klavier
Alfred Goodman (1919-1999)
„Three Meditations on Israel“ für Klavier
Bearbeitungen hebräischer Volkslieder für Stimme und Klavier (Berlin, 1937–1938)
Quartett für Violine, Bratsche, Violoncello und Klavier (Berlin 1938)
Mitwirkende: Jascha Nemtsov, Klavier und Konzeption
Verena Rein, Sopran
Sergey Malov, Violine
Jan Grüning, Viola
Jakob Spahn, Violoncello
Mathias Eysen, Sprecher
Moderation: Jascha Nemtsov und Albrecht Dümling.
(88) 28. Mai 2009 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Heimkehr in ein fremdes Land: Friedrich Hollaender
Ein Künstlerleben stellvertretend für viele NS-verfolgte Kollegen zum Thema "Remigration". In den zwanziger Jahren war Hollaender gefeierter Kabarettautor, Komponist und Pianist, arbeitete zusammen mit Tucholsky, Klabund und Mehring im Kabarett "Schall und Rauch", schrieb Revuen, hatte ein eigenes Kabarett, das "Tingel- Tangel", verfasste Schlager, Bühnen- und Filmmusiken: Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Emigration 1933. Im Exil in Hollywood 1934 erfolgloser Versuch mit einem neuen "Tingel-Tangel". Erfolg jedoch als Filmkomponist. In den fünfziger Jahren Rückkehr nach Deutschland. Zurückgekommen ja, aber "angekommen"? Schwerpunkt des Konzertes sind Hollaenders Erfahrungen als "Remigrant" im Deutschland der 50er und 60er Jahre.
- Wenn der Mond, wenn der Mond
- Tauentzienmädel
- Nass oder trocken
- Du bist die Frau
- Münchhausen (Lügenlied)
- An allem sind die Juden schuld
- Trinkgeld
- Ja, wenn die Musik nicht wär
- Das ist zu machen, mein Schatz
- Emigrantenballade (Auszüge)
- Ich ruf Sie an
- Totale Verfremdung
- Wie man sich unsichtbar macht
- Der Song vom Stottern
- Da lumpada lumpa
- Spötterdämmerung
Mitwirkende: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch - Gesang, Texte
Manfred Schmidt - Klavier
Olaf Taube - Vibraphon, Schlagzeug
Martin Genschow - Kontrabass
Winfried Radeke - Arrangements, Moderation und Konzeption
Der Autor und Regisseur Volker Kühn im Gespräch mit Winfried Radeke.
(87) 6. April 2009 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ "Mediterrane Musik": Max Brod (1884 - 1968) als Komponist
Das Multitalent Max Brod ist in erster Linie bekannt geworden als Herausgeber der Werke Kafkas und als Übersetzer der Janácek-Opern, ferner als Romancier, Dramatiker, Librettist und Publizist. Fast ganz im Schatten blieb jedoch sein kompositorisches Oeuvre, das immerhin rund 40 Werke umfasst. Früh gefördert von dem Dvorák-Schüler Adolf Schreiber, der ein tragisches Ende durch Suizid nahm, entfaltete es sich zunächst vor allem im Lied.
Kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Prag gelang es ihm, 1939 nach Palästina zu entkommen, wo er bis zu seinem Tod Dramaturg am israelischen Staatstheater Habimah war. 1940 begann eine zweite Kompositionsphase, die eine "mediterrane Musik", eine Verbindung europäischer und orientalischer Elemente anstrebte. Brod proklamierte eine "Distanzliebe" zwischen Deutschen und Juden.
Werke von Max Brod:
Sankt Nepomuks Vorabend (Goethe) für Stimme u. Klavier (1916)
126. Psalm für Stimme und Klavier (1921)
"Tod und Paradies" nach Versen von Franz Kafka op. 35 (1951)
Halil, aus: La Méditerranée – Rhapsodie für Klavier op. 28 (1945)
Aus: Acht Lieder aus Goethes "Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten" op. 32 (1949)
I. Moderato: Sag, was könnt uns Mandarinen
II. Zart, nicht schleppen, frisch: Weiß wie Lilien, reine Kerzen
IV. Langsam, ruhig: Dämmrung senkte sich von oben
VII. Mit Heftigkeit: Hingesunken alten Träumen
Musik von Tzvi Avni:
From There and Then. Prelude and Passacaglia for Piano (1998)
Mitwirkende: Katharina Göres, Sopran
Holger Groschopp, Klavier
Prof. Tzvi Avni (Tel Aviv) und Prof. Dr. Reinhard Flender (Hamburg) im Gespräch mit Dr. Albrecht Dümling.
(86) 12. Februar 2009 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Gesang der Amsel: Heinz Tiessen (1887-1971) als Komponist, Publizist und Lehrer
Heinz Tiessen gehört zu den seltenen Fällen eines Komponisten, dessen Werk und Wirken von den Nazis massiv attackiert und behindert wurde, der aber dennoch das "Dritte Reich" hindurch eine prominente Position als Kompositions-Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin wahren konnte. Anstoß erregt hatte seine Nähe zum avantgardistischen Melos-Kreis um Hermann Scherchen, aber auch seine Gründung und Leitung eines Arbeiterchors.
Nach dem Krieg wirkte er hoch angesehen als Direktor des Sternschen Konservatoriums, dann wieder als Professor für Komposition an der Hochschule und als Leiter der Musikabteilung der West-Berliner Akademie der Künste. Seine vitalste, expressionistische Zeit in den zwanziger Jahren ist gekennzeichnet von einem Faible für Amselgesang, auch für Jazzrhythmen. Das wird mit seiner Kammermusik dokumentiert.
Lied: "Die Amsel hat gesungen" (Max Dauthendey) op. 22,2 (1915)
Elegie für Viola und Klavier, op. 30,2 B (nach der "Hamlet-Suite" op. 30)
"Amsel-Septett" für Flöte, Klarinette, Horn, 2 Violinen, Viola und Violoncello in G-Dur op. 20 (1915)
Mitwirkende: WORK IN PROGRESS-BERLIN Ensemble für Gegenwartsmusik:
(Katrin Plümer, Flöte; Matthias Badczong, Klarinette; Aki Yamauchi, Horn; Kathrein Allenberg und Biliana Voutchkova, Violinen; Karen Lorenz, Viola; Marika Gejrot, Violoncello)
Gerhardt Müller-Goldboom, Leitung
Andreas Jocksch, Bariton / Sprecher
Gottfried Eberle, Klavier
Gesprächsgäste: Marianne Koch-Höffer, Nele Hertling
Konzeption und Moderation: Winfried Radeke
2008
(85) 11. Dezember 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Rätselhafte Connection: Das Gespann Heinz Tietjen - Leo Blech
Als Generalintendant aller Berliner Theater sowie als künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele gehörte Heinz Tietjen zu den mächtigsten Kulturfunktionären im Dritten Reich. Wie Gustaf Gründgens gestattete er sich ein erstaunliches Maß künstlerischer Freiheit. Wie es ihm gelang, noch bis 1937 den "Nichtarier" Leo Blech als Generalmusikdirektor an der Staatsoper zu halten und ihm die Flucht ins Ausland zu ermöglichen, ist bis heute nicht ganz klar. Zum 50. Todestag Leo Blechs, von dem ausgewählte Kompositionen erklingen, widmet sich Dietrich Steinbeck diesem Rätsel.
Lieder von Leo Blech (1871-1958)
Aus der Ferne in der Nacht (Otto Julius Bierbaum) op.9a Nr.2
Tausend Sterne (Wolfgang Hammann) op.20 Nr.1
Trennung (W. Hammann) op.20 Nr.2
6 Chansons aus Der galante Abbé op.17 (Emmy Destinn)
Auswahl aus den Liedchen (Großen und kleinen Kindern vorzusingen) opp. 21, 22, 27 und 27
Mitwirkende: Sabine Hill, Sopran
Stefan Paul, Klavier
Bernd Ludwig und Dominik Stein, Sprecher
Prof. Dr. Dietrich Steinbeck im Gespräch mit Dr. Albrecht Dümling.
(84) 9. Oktober 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Das verschüttete Lebenswerk eines dreimal Vertriebenen:
Der Dirigent Paul Kletzki als Komponist
Als der junge polnische Komponist Pavel Klecki nach dem Studium in Warschau zu weiteren Studien nach Berlin kam, änderte er die Schreibweise seines Namens. Er begann eine viel versprechende Karriere als Dirigent und Komponist von Liedern, Kammermusik und sinfonischen Werken und wurde von Furtwängler gefördert. Nach dem II.Weltkrieg wurde er als Dirigent in Israel, den USA und der Schweiz berühmt. Da hatte er das Komponieren bereits aufgegeben: Der Schock des Hitlerismus habe in ihm den Willen zum Komponieren zerstört. Außerdem glaubte er, dass all seine Partituren, die er bei der Flucht aus Italien in einem Hotel zurückgelassen hatte, vernichtet seien. 1965 fand man die Truhe, aber Kletzki wagte nicht, sie zu öffnen, obwohl alles unversehrt war.
Streichquartett Nr. 1 a-Moll op. 1 (1923)
Streichquartett Nr. 2 c-Moll op. 13 (1925)
Mitwirkende: casalQuartett
Rachel R. Späth und Daria Zappa, Violinen
Markus Fleck, Viola
Andreas Fleck, Violoncello
Habakuk Traber im Gespräch mit Karl Schüpbach (ehem. Mitglied des Berner Symphonieorchesters) und Markus Fleck.
(83) 26. Juni 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Synagogale Innigkeit - Moderne Klangarchitektur: Der Komponist Samuel Adler im Gespräch
Die Zahl der Zeitzeugen, die noch unmittelbar Verfemung und Exil während des NS-Regimes erlebt haben, schrumpft rapide. Da ist Samuel Adler eine Besonderheit, der rüstig seinem 80. Geburtstag entgegengeht und von ungebrochener Aktivität ist. Noch in seiner Heimatstadt Mannheim hatte er als Siebenjähriger hochkarätigen Unterricht bei der Konzertmeisterin im Orchester des Jüdischen Kulturbunds und begann kurz darauf zu komponieren. 1939 floh die Familie ins Exil nach den USA. Adler studierte Komposition bei den deutschen Emigranten Paul Hindemith und Herbert Fromm sowie bei Aaron Copland. Das Dirigieren vermittelte ihm Serge Koussevitzky. Heute ist er als Komponist wie als Lehrer hoch angesehen. Von seinen über 400 Werken erklingt Kammermusik, die einerseits von synagogaler Innigkeit, andererseits von moderner Klangarchitektur geprägt ist.
Sonata No. 2 for Violin and Piano (1956), daraus: Allegro moderato
Close Encounters für Violine und Violoncello (1989) daraus: Slowly and lyrically
Canto X für Violoncello (1979)
Trio für Violine, Violoncello und Klavier (1964)
Mitwirkende: Tatjana Blome, Klavier
Wolfgang Bender, Violine
Maria Wiesmaier, Violoncello
Moderation: Bettina Brand
(82) 22. Mai 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Mit der Gitarre in Theresienstadt: Die Dichterin und Sängerin Ilse Weber (1903-1944)
Mit ihren Artikeln, Theaterstücken und Radiosendungen wollte Ilse Weber zwischen den verschiedenen Kulturen der Tschechoslowakei vermitteln. Unter der deutschen Besatzung war dies nicht mehr erwünscht. Ihren ältesten Sohn hatte sie noch rechtzeitig nach Schweden schicken können, bevor sie nach Theresienstadt eingeliefert wurde. Dort schuf sie zahlreiche Gedichte und Lieder, bis sie 1944 zusammen mit ihrem Sohn Tommy in Auschwitz ermordet wurde.
Sämtliche erhaltenen Lieder
Auswahl an Gedichten
Märchen: "Riwke bäckt Barches"
Mitwirkende: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch: Gesang, Rezitation
Kathrin Redlich, Gitarre
Timofey Sattarov, Bajan
Volker Suhre, Kontrabass
Winfried Radeke, Cembalo
Gesprächsgast: Rahel Rosa Neubauer
Arrangements, Leitung und Moderation: Winfried Radeke
(81) 10. April 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Berufsverbot wegen Mischehe: Justus Hermann Wetzel (1879-1973)
Der Komponist Justus Hermann Wetzel lehrte in Berlin an der Akademie für Kirchen- und Schulmusik, bis die Nationalsozialisten ein Berufs- und Aufführungsverbot verhängten. Der Grund: Wetzel lehnte es ab, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs rehabilitiert, wirkte er bis 1948 als Professor für Komposition an der Berliner Hochschule für Musik.
Lieder auf Texte von Hermann Hesse:
- Gute Stunde
- Meinem Bruder
- Die Kindheit
- Jugendgarten
- Immerzu
- Flötenspiel
- Geist der Liebe
- Im Nebel
- Zusammenhang
Zwei Lieder auf Texte von Herbert Roch:
- Der schwere Traum
- Im Felde
Aus dem Dritten Liederkreis für 1-2 Singstimmen und Klavier op. 13 nach Gedichten von Joseph Freiherr v. Eichendorff:
- Elfe
- Wanderschaft
- Morgenständchen
- Der Student
- Das zerbrochene Ringlein
- Treue
- Andenken
Mitwirkende: Ute Beckert, Sopran
Jörg Gottschick, Bariton
Ulrich Wildenhof, Sprecher
Gottfried Eberle, Klavier und Moderation
Gesprächsgast: Ruth Ruiz-Pipó (geb. Wetzel)
(80) 7. Februar 2008 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Erst gefeiert, dann vertrieben: Der Komponist Richard Mohaupt (1904-1957)
Mit einer Sondergenehmigung durfte im Februar 1938 in Dresden Mohaupts Oper Die Wirtin von Pinsk unter Karl Böhm uraufgeführt werden – mit großem Erfolg. Wegen kritischer Äußerungen und wegen seiner "nichtarischen" Ehefrau wurde der Komponist wenige Monate später endgültig aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. 1939 floh er nach New York, wo sich Dirigenten wie Fritz Reiner, Dimitri Mitropoulos und Leopold Stokowski für sein Schaffen einsetzten.
Passacaglia of the Refugees (1939)
Ouvertüre zur Oper "Die Wirtin von Pinsk" (1937)
Funkmelodram "Der Pilot im Paradies" (1935, Auszug)
Stadtpfeifermusik für Orchester (1949, histor. Tonaufnahme)
Text des Schlusschores aus der unvollendeten Oper "Morituri" (1939/1955)
Arie des Dr. Antibioticus aus der Oper "Double-Trouble" (1954)
Bearbeitungen: Winfried Radeke
Interpreten: Andreas Jocksch, Bariton und Sprecher
Vokalensemble "Quintessenz!"
Manfred Schmidt und Cristian Peix an zwei Klavieren
Winfried Radeke im Gespräch mit Prof. Dr. Friedrich Geiger
2007
(79) 22. November 2007 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Das verpönte Instrument: Der Saxophonpionier Sigurd Rascher (1907-2001)
Das Saxophon galt bei den Nazis als "jüdisch-negerisch". Obwohl Sigurd Rascher noch 1932 als Solist bei den Berliner Philharmonikern auftreten durfte, musste er ein Jahr später aus Berlin fliehen. Im Ausland wurde er zum führenden Pionier seines Instruments. Komponisten wie Paul Hindemith, Alexander Glasunow, Frank Martin und Jacques Ibert schrieben für ihn; viele der Komponisten zählten selbst zu den verfemten.
Für Sigurd Rascher komponierte Werke
Wolfgang Jacobi: Sonate für Altsaxophon und Klavier
Edmund von Borck: Introduktion und Capriccio op. 11
Paul Hindemith: Konzertstück für zwei Saxophone
Paul Dessau: Suite für Saxophon und Klavier
Bernhard Heiden: Sonate für Saxophon und Klavier
Mitwirkende: Harry White und Frank Lunte, Saxophon
Tatjana Blome, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Harry White und Frank Lunte
(78) 11. Oktober 2007 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Komponist, Professor und Ethnologe: Walter Kaufmann (1907-1984)
Seinen Berliner Lehrern Franz Schreker und Curt Sachs verdankte Walter Kaufmann die künstlerischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten, die er ab 1934 in Indien fruchtbar anwendete: als Mittler zwischen der Musik Indiens und Europas. Danach wirkte er jahrzehntelang als angesehener Professor an der Indiana University in Bloomington. Der 100. Geburtstag Walter Kaufmanns ist Anlass, an seine weltumspannende Tätigkeit zu erinnern.
"In meines Vaters Garten" (1933)
Sieben Gesänge auf Gedichte von Heinz Politzer
Scherzo f-Moll (1924)
Meditation für Klavier (1924)
"Mondnacht" (1930)
Sonatina für Klavier
Klaviersonate (1948-1951)
Mitwirkende: Christfried Biebrach, Bariton
Friederike Haufe, Klavier
Volker Ahmels, Klavier
Michael Dasche im Gespräch mit Agata Schindler
(77) 7. Juni 2007 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Der Vielsprachige. Frühwerke von Erwin Schulhoff
Wie kaum ein anderer Komponist saugte der junge Schulhoff die Stile seiner Zeit wie ein Schwamm auf, ob es nun die Atonalität der Zweiten Wiener Schule um Schönberg war oder der Jazz. Und so fand er denn auch für jedes Werk einen eigenen Stil. Dies gilt insbesondere für die frühen Lieder und Violinwerke, die in diesem Konzert erklingen. Die Skala reicht von impressionis-tischen Oscar-Wilde-Vertonungen bis zu Bearbeitungen tschechischer Volkslieder.
Zwei Zigeunermelodien auf Texte von Adolf Heyduk
Drei Lieder für eine Altstimme mit Klavierbegleitung op.15 auf Texte von Oscar Wilde
Suite für Violine und Klavier op.1
Volkslieder und Tänze aus Schlesisch-Teschen (Auswahl)
Drei Stimmungsbilder für eine Sopranstimme, Violine und Klavier op.12
Mitwirkende: Olga Černá, Mezzosopran
František Kůda, Klavier
Jan Jouza, Violine
Gottfried Eberle im Gespräch mit Olga Černá
(76) 26. April 2007 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Weggelassen - Das Leben als Ellipse.
Die Exilkomponisten Karl Rankl (1898-1968) und Georg Tintner (1917-1999)
Beide Künstler waren prominente Dirigenten, die in ihrer Heimatstadt Wien bei bedeutenden Kompositionslehrern studiert hatten: Rankl bei Arnold Schönberg, Tintner bei Joseph Marx. Der Nationalsozialismus unterbrach jäh ihre vielversprechende Dirigentenkarriere. Beide flohen nach England, von wo sie ihr Weg nach Neuseeland, Australien und Kanada weiterführte. Ihre kompositorische Entwicklung verlief gegenläufig; während Rankl mehr und mehr zur Tonalität tendierte, radikalisierte sich Tintners Schreibweise zu einem kühnen Expressionismus. Erkennbar ist dies an seiner Komposition „The Ellipse“ für Sopran und Streichquartett, die auch im Gegenüber deutscher und englischer Texte die Exilsituation reflektiert. Der Titel meint dabei nicht nur die geometrische Figur, sondern auch das Weglassen eines Satzgliedes.
Lieder von Karl Rankl:
"Schließe mir die Augen beide" (Theodor Storm)
"Abendständchen" (Clemens Brentano) 1922
Drei Lieder aus der mittleren Periode (Oxford 1942):
"A Girls Mood" op.7,1 // "Gather ye Rose-birds" op.7,5 // "Coming and Going" op. 7,7
Zwei Lieder aus später Zeit:
"Wiegenlied" (Detlev von Liliencron) // "Gottes Segen" (Joseph v. Eichendorff) 1964
Lieder von Georg Tintner:
"Junge Liebe" (1935 - 1940):
1. Dämmerstunde (Theodor Storm)
2. Der Vogel (Otto Julius Bierbaum)
3. Schließe mir die Augen beide (Theodor Storm)
4. Mondnacht (Georg v. Kuh)
5. Liebeslied (Rainer Maria Rilke)
"Frühling" (Hermann Hesse) 1936
Georg Tintner:
"The Ellipse" für Sopran und Streichquartett (1955-1959)
Mitwirkende: Katharina Göres, Sopran
Gottfried Eberle, Klavier
Koehne Quartett (Wien):
Joanna Lewis, Violine
Anne Harvey-Nagl, Violine
Elaine Koene, Viola
Mara Kronick, Violoncello
Albrecht Dümling im Gespräch mit Matthias Wurz (Wien) und Tanya Tintner (Halifax/Kanada)
(75) 8. Februar 2007 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Der junge Trompeter von Theresienstadt: was aus Paul Aron Sandfort wurde…
Hans Krásas Kinderoper Brundibar kannte im Ghetto Theresienstadt fast jeder. Paul Aron Sandfort spielte als junger Trompeter in vielen Aufführungen mit. Dorthin hatte man ihn 1943 aus Dänemark verschleppt, wo er 1935 mit seiner Mutter Zuflucht gefunden und den Namen Sandfort angenommen hatte. Nach dem Krieg kehrte er nach Kopenhagen zurück, begann zu komponieren, Texte zu schreiben und verfasste schließlich eine Autobiografie.
Sein Melodram Nachschub sowie sein Theaterstück Der Besuch sind Zeugnisse späterer künstlerischer Auseinandersetzungen mit dem unfassbaren Thema Theresienstadt – in seiner selbst erlebten Gegenwart, seiner Aufarbeitung viele Jahre danach und der immerwährenden Frage: Warum?
"Nachschub" für Sprecher, Streichquartett, Flöte und Trompete (Text 1947, Musik 2001)
Auszüge aus dem Theaterstück "Der Besuch" (2005)
Mitwirkende:
Sören Linke ,Trompete
Antje Schurrock, Flöte
Cornelia Dill und Ulrike Töppen, Violinen
Amalia Aubert, Viola
Werner Klemm, Violoncello
Bernd Ludwig und Dominik Stein, Sprecher
Gottfried Eberle und Winfried Radeke im Gespräch mit Paul Aron Sandfort
2006
(74) 26. Oktober 2006 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Berlin – New York – Berlin. Die Komponistin Ursula Mamlok (*1923) im Gespräch
Ursula Mamlok ist gebürtige Berlinerin. 1939 musste sie mit ihren Eltern vor den Nationalsozialisten nach Ecuador fliehen. Nachdem sie ein Stipendium für die Mannes School of Music erhalten hatte, ging sie als Siebzehnjährige allein nach New York. Hier studierte sie u. a. bei Stefan Wolpe, Roger Sessions und Ralph Shapey. Sie unterrichtete 40 Jahre an der Manhattan School of Music Komposition und ist heute eine der profiliertesten Komponistinnen der USA. Im Sommer dieses Jahres ist Ursula Mamlok nach Berlin zurückgekehrt.
Haiku Settings (1967) für Sopran und Flöte
Music for Viola and Harp (1965/rev. 2003)
Sonar Trajectory (1966) für Tonband
Andreasgarten (1987) für Mezzosopran, Flöte und Harfe
Rhapsody (1989) für Klarinette, Viola und Klavier
2000 Notes (2000) für Klavier
Mitwirkende: Verena Rein, Sopran
modern art ensemble:
Klaus Schöpp, Flöte
Helge Harding, Klarinette
Jean-Claude Velin, Viola
Katharina Hanstedt, Harfe
Yoriko Ikeya, Klavier
Ursula Mamlok im Gespräch mit Bettina Brand
(73) 28. September 2006 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Verfolgt als Jude und später als "Formalist": Karel Reiner (1910-1979)
Karel Reiner gehörte in den 1930er Jahren zu den aktivsten Repräsentanten der musikalischen Avantgarde in Prag. Als die Juden nach der Okkupation im sogenannten Protektorat vom öffentlichen Leben völlig ausgeschlossen wurden, beteiligte er sich an der Planung und Ausführung illegaler Konzerte. Reiner spielte dort u.a. erstmals seine patriotisch-programmatische 2. Klaviersonate. 1943 wurde er, zusammen mit seiner Frau Hana, nach Theresienstadt deportiert. Reiner überlebte als einziger der dort inhaftierten Komponisten und kehrte nach dem Krieg nach Prag zurück. Unter der kommunistischen Herrschaft erlebte er sowohl öffentliche Anerkennung als auch Repressionen, die in einem Aufführungsverbot nach 1970 gipfelten. Der Komponist Karel Reiner geriet dadurch in Vergessenheit. Sein umfangreiches Schaffen enthält insbesondere Kammermusik in vielfältigen Besetzungen, aber auch Opern und Orchesterwerke.
Aus "Fünf Jazz-Etüden" für Klavier (1930): Nr. 2 und 3
"Sonata brevis" für Violoncello und Klavier (1946)
Aus "Marginálie" für Bassklarinette solo (1979): Nr. 3, 5-7
"Volné listy" ("Lose Blätter") für Klarinette, Cello und Klavier (1969)
Mitwirkende: Hui-Ping Lan, Klavier
Tara Bouman, Klarinette und Bassklarinette
Sebastian Foron, Violoncello
Peter Sarkar im Gespräch mit Anke Zimmermann und dem Komponisten und Dirigenten Thomas Müller (Halle/Saale).
(72) 1. Juni 2006 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Ein Verfemter wird Präsident. Der Komponist und Pädagoge Siegfried Borris (1906-1987)
Georg Schünemann, sein Mentor, erkannte die vielseitige Begabung des 1906 in Berlin geborenen Siegfried Borris Zuckermann. So durfte er neben dem Kompositionsstudium bei Hindemith ab 1929 selbst an der Berliner Musikhochschule unterrichten. 1933 konnte Borris noch promovieren, dann musste er aus rassischen Gründen die Hochschule verlassen. Anders als sein in Auschwitz ermordeter Vater hat er die NS-Zeit auf abenteuerliche Weise überlebt. Nach dem Krieg gehörte Borris zu den führenden Persönlichkeiten des westdeutschen Musiklebens (u.a. als Präsident des Deutschen Musikrats).
Drei Lieder aus früher Zeit:
Im Moor (Karl Maerten) op.3, Nr.1 (Januar 1925)
Veilchen (Lore v. Ledebur) op.5, Nr.2 (23.III.1925)
Abendlied (Franz Evers) op.12, Nr.2 (20.X.1926)
Vier Gedichte aus "Weg und Wende" (1941):
Aufklang - Abendlied - Vom Kinde - Schweigen
Die ferne Flöte (Klabund) op.12, Nr.1 (1935)
Zwei Lieder aus "Weg und Wende" op. 24 (1941/42):
Märzlied - Hoffende in der Nacht
Vier Gedichte aus "Sommergesang" (1946):
Mailied - An einen Vogel - Juninacht - Hochsommer
Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier op. 139 (1980)
Mitwirkende: Katharina Göres, Sopran
Olga Kotchenkova, Violoncello
Hanno Pilz, Klarinette
Gottfried Eberle, Klavier
Albrecht Dümling im Gespräch mit Juliane Lepsius und Gisela Bauer.
(71) 11. Mai 2006 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ Dem Vergessen entrissen: Der Komponist Edwin Geist
Der 1902 in Berlin geborene Komponist Edwin Geist fühlte sich dazu berufen, die Oper durch die Schaffung des "Musikschauspiels" zu erneuern. Die Nationalsozialisten verhinderten den Erfolg dieser Pläne. Sie klassifizierten ihn als "Halbjude", deshalb floh er nach Litauen, wo er 1941 wieder in die Gewalt der Verfolger geriet und Ende 1942 ermordet wurde. Dabei hätte es gut ausgehen können: Dank beherzter Helfer hatte er seine Freilassung aus dem Ghetto erreicht und auch seine Frau befreien können. Das abenteuerliche Schicksal Geists wurde erst vor wenigen Jahren von Reinhard Kaiser erforscht und in der Biographie Unerhörte Rettung beschrieben. Als besonderen Gast begrüßen wir Margarete Holzman, die in ihrer Jugend in Litauen Edwin Geist gut kannte, weil er mit ihren Eltern befreundet war.
Drei Lieder für Bariton und Violine (Zürich, 1928)
Zwei Gesänge der Apolloneia aus "Die Heimkehr des Dionysos" (Berlin, 1934-38)
Drei litauische Lieder (Kaunas, 1939/40)
Mitwirkende: Verena Rein, Sopran
David Pichlmaier, Bariton
Anita Keller, Klavier
Kolja Lessing, Violine
Reinhard Kaiser im Gespräch mit Kolja Lessing und Margarete Holzman.
(70) 16. März 2006 "Verfolgung und Wiederentdeckung"
Musikclub des Konzerthauses Berlin am Gendarmenmarkt
+ ...und die Musik spielt dazu! - Kabarett in Theresienstadt
Dem jüdischen "Vorzugslager" Theresienstadt hatten die nationalsozialistischen Machthaber die perfide Rolle zugedacht, die Öffentlichkeit im In- und Ausland über die wahren Ziele der Vernichtungslager zu täuschen. Neben Theater-, Konzert-, Opern- und Operettenaufführungen hatten die "Büros für Freizeitgestaltung" auch Kabarettvorführungen zu organisieren. Die ausführenden Künstler sollten in einer Art Überlebensstrategie für Zerstreuung und Unterhaltung sorgen, zugleich waren sie aber auch Statisten in einem groß angelegten Täuschungsmanöver der Nazis. Im 70. Gesprächskonzert widmet sich musica reanimata erstmals dem bislang noch nicht ausreichend erforschten und dokumentierten Thema "Kabarett in Theresienstadt". Wir hören u.a. Texte von Leo Strauss, Manfred Greiffenhagen, Ludwig Hift und Frieda Rosenthal, teils auf ältere Melodien, teils Originalkompositionen von Martin Roman, Adolf Strauss, Ilse Weber u.a.
Als Zeitzeugin und Gesprächspartnerin konnte die Tochter des Kabarett-Komponisten Adolf Strauss gewonnen werden.
Mitwirkende: Maria Thomaschke und Andreas Jocksch, Gesang
Uri Rom, Klavier
Eva Maria Straussová-Erard im Gespräch mit Winfried Radeke.